Düsseldorf. Herr Schulhoff, nach zehn Jahren Rezession sind die NRW-Handwerker wieder auf Wachstumskurs. Gelingt es in diesem Jahr, die Boomjahre 1994 und 2000 zu toppen?Schulhoff: Das müssen wir abwarten. Die Zeichen sind auf grün gestellt, wir haben ein gutes Klima im Handwerk. Der Geschäftsklimaindex liegt bei 79 Prozent, das hatten wir vor 15 Jahren das letzte Mal. Was heißt das für den Arbeitsmarkt im Handwerk? Kann man schon wieder von einem Facharbeitermangel reden? Werden Lehrlingen bald rote Teppiche ausgerollt oder Mofas geschenkt?Schulhoff: Wir haben derzeit eine Auslastung der Betriebe um die 80 Prozent. Allerdings ist das je nach Branche unterschiedlich. Wir haben Boombranchen, etwa der Baubereich, der einen großen Nachholbedarf hat, oder den Maschinenbau. Im Maschinenbau haben wir zum ersten Mal wieder einen Arbeitskräftemangel. Insgesamt fehlen uns einige tausend Facharbeiter in NRW, zusätzlich auch Ingenieure. Liegt das auch daran, dass in den vergangenen Jahren so viele Stellen abgebaut worden sind?Schulhoff: Wir kommen aus einer tiefen Rezessionsphase. Wir haben im Handwerk in den vergangenen zehn Jahren 400 000 Arbeitsplätze in NRW verloren. Wir hatten 1,4 Millionen Mitarbeiter und sind jetzt bei knapp unter einer Million. Das hinterlässt natürlich Spuren. Haben Sie in den vergangenen Jahren vielleicht auch nicht ausreichend ausgebildet?Schulhoff: Das Handwerk hat immer eine hohe Ausbildungsquote gehabt. Wir haben derzeit eine Ausbildungsquote von zehn Prozent. Aber wir hätten noch mehr ausbilden können, wenn die Rahmenbedingungen gestimmt hätten. Zudem bilden sich gerade die guten Lehrlinge weiter, studieren möglicherweise und bleiben damit nicht unbedingt im Handwerk.
Die Kunden verlangen wieder mehr Qualität. "Geiz ist geil" hat ausgedient. Entsprechend sind viele auch bereit, für handwerklich hochwertige Leistung mehr Geld zu bezahlen.
Wolfgang Schulhoff, NRW-Handwerkspräsident, zum Thema Schwarzarbeit.
Wird sich angesichts der guten Lage die Ausbildungsquote erhöhen?Schulhoff: Wir haben derzeit drei Prozent mehr als im Vorjahr. Das ist ja schon was. Aber wir müssen natürlich auch geeignete Bewerber finden. Die Ansprüche an die Lehrlinge sind höher, doch das Bildungsniveau ist niedriger geworden. Diese Schere müssen wir schließen. Da ist die Landesregierung mit ihrem Schwerpunkt Bildung auf einem guten Weg.
Nach dem Kombilohn wird jetzt über den Mindestlohn diskutiert. Was ist die Meinung des NRW-Handwerks zum Mindestlohn - Segen oder Unfug?Schulhoff: Ordnungspolitisch muss ich Mindestlöhne ablehnen. Aber wenn ich in manchen Bereichen die Löhne sehe, dann sind diese nicht auskömmlich. Mein Ansatz ist daher folgender: Ich bin für eine klare Erhöhung des Nettolohns. Die Schere zwischen Brutto- und Nettolohn ist viel zu weit geöffnet.
Es gibt ja bereits Branchen, die Mindestlöhne haben.Schulhoff: Ja, im Baubereich beispielsweise. Und ich persönlich hätte auch nichts gegen branchenspezifische Lösungen. Ich habe aber immer die Sorge, dass wenn in Deutschland etwas gemacht wird, es flächendeckend und für die Ewigkeit gemacht wird. Und das ist nicht sinnvoll.
Seit Jahren fordert das NRW-Handwerk den Bürokratieabbau. Hat sich unter der Regierung Rüttgers schon etwas verbessert?Schulhoff: Ja, das spüren wir deutlich. Zum einen klimatisch. Wir haben das Gefühl, dass wir mit unseren Anliegen auf offene Ohren bei der Landesregierung stoßen. Zum anderen sind aber auch schon ganz konkrete Dinge passiert, etwa bei der Vergabeordnung: Da werden Projekte nicht mehr an einen Generalunternehmer vergeben, sondern wieder einzelne Lose ausgeschrieben.
Welche Forderungen hat das Handwerk noch an die Landesregierung?Schulhoff: Wenn es nach mir ginge, könnten die Berufsgenossenschaften abgeschafft werden. Den Unfallschutz könnten auch die Versicherungen machen. Die Kosten belasten meinen Betrieb mit vier Prozent der Lohnsumme. Ein Nutzen ist kaum erkennbar. Und: Bürokratieabbau ist ein langer Prozess. Da brauchen die Politiker das Rückgrat, Änderungen durchzusetzen und sich auch gegen ihre Beamten im eigenen Haus zu behaupten.
Ein Dauerbrenner ist die Schwarzarbeit. Hat die Mehrwertsteuererhöhung die Schattenwirtschaft beflügelt?Schulhoff: Wir hatten eine Delle zu Anfang des Jahres. Doch dank der guten Konjunktur hat sich diese wieder ausgeglichen. Dazu kommt: Die Kunden verlangen wieder mehr Qualität. "Geiz ist geil" hat ausgedient. Entsprechend sind viele auch bereit, für handwerklich hochwertige Leistung mehr Geld zu bezahlen.
Wo sind aus Ihrer Sicht die Verdienste der früheren Rot-grünen Bundesregierung für den jetzigen Boom am Arbeitsmarkt?Schulhoff: Die Tendenz, die den Hartz-Gesetzen zugrunde lag: Das gesamte Sozialgefüge in unserem Staat aus dieser einlullenden Blümchen-Staatsgläubigkeit, was soziale Fragen anbetrifft, herausgeholt zu haben.
Reichen die gemachten Schritte aus?Schulhoff: Wir müssen noch viel mehr verändern. Ich komme wieder auf höhere Nettolöhne zurück: Wir müssen die Finanzierung der sozialen Systeme endlich angehen, um die Lohnnebenkosten zu senken. Wir müssen über steuerfinanzierte Sozialsysteme nachdenken.
Wird es im NRW-Handwerk in diesem Jahr angesichts der guten Lage wieder mehr Arbeitsplätze geben? Wie sehen Sie die Perspektiven?Schulhoff: Die Beschäftigungszahlen werden langsam wieder wachsen. Das Tal ist überwunden; bei Umsatz, Ertrag und Beschäftigung. Das sind im Handwerk die drei kommunizierenden Säulen. Den Rationalisierungseffekt haben wir bis zum letzten ausgekostet. Mehr ist nicht mehr drin bei uns.