Kom(m)ödchen: "Die Angst der Hasen" - Freitags Videobotschaft
Thomas Freitag präsentiert im Kom(m)ödchen die Uraufführung seines neuen Programms „Die Angst der Hasen“.
Düsseldorf. Pimpern. Natürlich! Wäre ja ein Wunder, wenn heutzutage noch irgendein Kabarett-Programm ohne auskäme. Selbst Thomas Freitag macht davor nicht Halt. Und das aus gutem Grund. Denn genau wie das in älteren Generationen immer noch ungelittene "geil" durch pubertäre Überbeanspruchung seit den 80ern stetig verharmlost wurde, weckte das altdeutsche "Pimpern", das zu Zeiten der Brüder Grimm nichts anderes als hämmern oder klopfen bedeutete, zunehmend verruchtere Assoziationen. Wen wundert’s! Sprache ist dynamisch. Das war sie schon immer. Sonst gäbe es Balkons, Sofas und Rendezvous in unserer Alltagssprache nicht.
Das weiß auch Thomas Freitag. Nicht umsonst spielt Wilhelm Grimm in seinem neuen Programm "Die Angst der Hasen", das am Mittwoch im Kom(m)ödchen seine Uraufführung feierte, eine zentrale Rolle. Würde man Schillers "Glocke" mit Hilfe seines Wörterbuches um die zahlreichen Fremdwörter bereinigen, hieße die erste Strophe "Beinecht gebollwerkt in der Klupfe". Und das Gedicht wäre als "Pimper" betitelt. So obszön kann Sprachkonservatismus sein. Oder besser: so verkrampft.
Doch Sprache ist nur ein Aspekt innerhalb des reichhaltigen deutschen Kulturguts, dem religiöse Fanatiker an den Kragen wollen. Freitag bezieht es mit ein in sein Stoßgebet, gesprochen in eine Kleinkamera. Vielleicht kommen seine Appelle, als Videobotschaft getarnt, ja endlich an bei den "lieben Islamisten".
Im Hintergrund laufen die Brandenburgischen Konzerte von Bach, schmücken Dürer und Caspar David Friedrich die Wand. "Warum wollt Ihr das zerstören?", fragt Freitag. Gut, vielleicht nicht das, vielleicht nicht Mann und Goethe und Lessing und Beethoven. Aber es gibt sie, diese urdeutschen Pfründe, die Attentate zwar nicht entschuldigen würden, aber immerhin nachvollziehbar erscheinen ließen. Da wären etwa die unflexiblen Auswüchse der Bürokratie, die jeden noch so enthusiastischen Gründergeist im Keim ersticken. Oder die fragwürdige Errungenschaft, sich 18 kassenärztliche Vereinigungen zu leisten. Und angesichts solcher offenkundiger Missstände führen selbst ernannte Traditionalisten einen Kreuzzug wider das Denglisch? Gibt’s da keine drängenderen Probleme?
Aber wie sollte man sich derer erwehren, dem Terror, der Politikverdrossenheit und der Globalisierung? Die Welt ist in den Händen von Lobbyisten. Wollte Wilhelm Grimm sein "Rotkäppchen" heutzutage den Bundestag passieren lassen, würde aus der scheuen Magd eine Alkohol kranke Hartz-IV-Empfängerin, gesetzlich versichert, aber umweltbewusst. Damit sich jeder wiederfindet, irgendwie!
Autor Dietmar Jacobs, der auch schon das aktuelle Ensemble-Programm des Kom(m)ödchens verantwortet, hat Freitag einen intelligenten Monolog geschrieben. Besonders die Exkurse wie die Bundestagsdebatte über das Grimm’sche Märchen sind überspitzter Irrsinn, der der Wirklichkeit scheinbar doch so nahe kommt. Auf den Zeigefinger wollte Freitag dabei wohl nicht verzichten. Aber auch der gehört ja irgendwie zur deutschen Kulturgeschichte.
Weitere Aufführungen bis 28. Februar täglich, jeweils 20 Uhr, www.kommoedchen.de