Lit.Cologne Iron-Maiden-Sänger macht seine Lesung zum Ereignis

Bruce Dickinson unterhält das Lit.Cologne-Publikum lässig-brillant.

Lit.Cologne: Iron-Maiden-Sänger macht seine Lesung zum Ereignis
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Köln. Obenrum ein Jackett. Untenrum eine Jogginghose. Und ganz untenrum Stiefel, in denen das sportliche Stöffchen verschwindet. So sieht es aus, das Outfit, in dem Bruce Dickinson die Bühne der Stadthalle Köln-Mülheim betritt. Genauso hat man sich das auch vorgestellt mit diesem lockeren, multivitalen Typen, der irgendwie zig Leben auf sich vereint: Bruce Dickinson ist ja Pilot. Er war professioneller Fechter. Er hat den Krebs besiegt. Er ist Sänger einer der größten Rockbands des Planeten, Iron Maiden. Und jetzt ist er auch noch unter die Schriftsteller gegangen, hat seine verrückten Vitas in der Vita zwischen die Seiten eines Buches gepackt — und ist der lesende Star beim Kölner Literaturfestival Lit.Cologne.

Das Publikum im seit Monaten ausverkauften Saal sieht dabei in der Hauptsache so aus, wie es aussehen muss: Typen mit Band-Shirts und Metal-Kutte, die normalerweise vermutlich weniger Bücher lesen als Platten hören. Und daneben Gäste in Abendgarderobe, die außer Phil Collins eher weniger Platten hören, dafür aber sicherlich umso mehr Bücher lesen.

Und Dickinson? Der liest nicht nur, wenn es um seine Autobiografie „What Does This Button Do?“ („Was passiert, wenn ich diesen Knopf hier drücke?“) geht. Nein. Er macht ein Ereignis daraus. Natürlich. Der Engländer ist nun mal Entertainer. Und Entertainer müssen nicht erst seit Robbie Williams entertainen.

Unterhalten. Immer auf 180. Hummeln im Hintern. Dickinson fläzt und windet sich hin- und herrutschend auf seinem Stuhl. Immer wieder stottert er ein bisschen — was bei ihm eher so klingt, als kokettiere er damit. Gehört alles zur Show. Ist dramaturgisch gewollt. Aber es könnte auch daran liegen, dass er es sonst ja eher gewohnt ist, zu singen. Und zwar brüllend laut und melodisch zugleich.

„The Number Of The Beast“, „Run To The Hills“, „22 Acacia Avenue“ — das sind in einer Melange aus Falsett mit Mörderpuste und vokaler Donnerdampf-Ramme zelebrierte Iron-Maiden-Songs, bei denen andere nur ein Krächzen herausbringen würden. Man merkt jedenfalls, dass selbst diese Bühne vor gut 1200 Zuschauern, die zu den größten dieses Literaturfestes gehört, noch zu klein für ihn ist.

Der Moderator und Übersetzer hat keine Chance, mit Dickinsons Tempo mitzuhalten. Gerd Köster, in der Stadt selbst ein Musik- und Kabarett-Star, wird als Zwischenleser auf Deutsch gar völlig ins Abseits gekickt. Dickinson ist zu sehr Multimensch, als dass es anders ginge. Er hat schlichtweg zu viel zu erzählen: Vom Zoff mit den Bandkumpanen über die Eigenarten seines stets wissend grinsenden Managers bis hin zu außer Kontrolle geratenen Flugzeugen und skurrilen Stimmbildungsmaßnahmen. Er erzählt all das verpackt in einen derart bombastischen Humor, dass am Ende noch nicht einmal diese Sache mit dem Krebs schrecken kann.

Das Auseinanderfallen seines Gesichtes, das Ausrupfen seiner Haare, das Schlucken von Medikamentencocktails, die irrsinnigen Verdauungsprobleme, das rasante Schwinden des Körpergewichts — all dieses Schlimme gipfelt in zwei Pointen, die nur schmunzeln lassen. Nicht weinen.

Erstens: Als er am Ende seiner Chemotherapie einmal allein in einem Londoner Café gesessen und Mick Jagger vorbeilaufen gesehen habe, da sei sein einziger Gedanke gewesen: „Ha, Mick! Jetzt bin ich bald so schlank wie Du!“

Zweitens: Er habe diesen Willen, immer zu gewinnen und alles zu schaffen, einem Sturz auf den Kopf als Kind zu verdanken. Mit dem entsicherten Kinderwagen ging es damals ungebremst einen Hügel hinunter. Bis zum Aufprall. „Da war’s dann passiert. Seitdem bin ich so.“ Ja, seitdem ist er so. Und es ist einmal gut, dass Bruce Dickinson so ist.