Ausstellung: Kunst und Kommerz vereint

Takashi Murakami stellt bei der Vermarktung seiner Kunst sogar Altmeister Andy Warhol in den Schatten. In Frankfurt lässt sich das Schaffen des Japaners bestaunen.

Frankfurt. Bis zum 4.Januar präsentiert sich das Frankfurter Museum für Moderne Kunst ungewöhnlich anders - als © Murakami Museum. Der Japaner Takashi Murakami (46) drückt dem Haus in riesigen Metalllettern seinen Stempel auf, einschließlich Copyright-Zeichen.

Im Innern hat der scheidende Museumschef Udo Kittelmann den kostbaren Museumsschatz beiseite geräumt oder - wie den "Blitzschlag" von Joseph Beuys - unsichtbar gemacht. Der international agierende Pop-Meister, zugleich Produzent, Unternehmer, Kurator, Verleger, Event-Koordinator und Geschäftsmann, hält Einzug. Über 130 Arbeiten sind auf allen drei Ebenen des Hauses in der umfangreichsten Retrospektive zu sehen.

Murakami ist ein Held des Kunstmarkts, wie Damien Hirst oder Jeff Koons. Im Mai brachte es sein überlebensgroßer "Einsamer Cowboy" mit Sperma-Lasso bei Sotheby’s auf 15,2 Millionen Dollar. Die Schau in Frankfurt dürfte Unsummen allein für die Versicherung kosten.

In der zentralen Halle begrüßt ein "Mr. Pointy", eine Kreatur mit Dutzenden Armen, tropfartigem Kopf und einem riesigem Frosch als Fundament. Ein neuartiger, lustiger Buddha-Verschnitt. Es gibt psychedelische Pilz-Installationen mit gezackten Zähnen unter der monströsen Kappe.

"Mr. DOB", asiatischer Cousin von Mickey Mouse, grinst wie eine dreidimensionale Manga-Figur. Die Augen gleichen Dart-Scheiben. Aus dem Maul wabern kaulquappenartige Gebilde. Kunst solle, sagt ihr Schöpfer, die Sinne betäuben, so dass die Betrachter mit offenem Mund dastehen. In Frankfurt ist das der Fall. Väter, die sonst kaum das Museum betreten, staunen wie ihre hüpfenden und springenden Kinder über die auf Hochglanz getriebenen Oberflächen.

Zuckersüß und leicht pervers ist diese Kunst. "Hiropon" etwa ist ein japanisches Mädchen mit runden Augen, das über ein Seil springt, das sich als Kunststoff-Milch entpuppt. Immer wieder spritzt glänzendes Material aus wurstartigen Brustwarzen. Die langbeinige "Miss Ko" vertritt den Kellnerinnen-Typ mit schlanker Taille und prallem Busen in der weißen Bluse. Auf High Heels scheint sie aus einem Computerspiel in den Museumsraum zu trippeln, wo sie wie eine Barbie-Puppe auf ihrem Ständer verharrt. Witz ist diesen leicht überzeichneten Figuren nicht abzusprechen.

Doch Murakami ist mehr als ein populärer Künstler. Für ihn ist Kunst Teil der Wirtschaft. Die Motive seiner Skulpturen und Gemälde vertreibt er zugleich über seine internationale Firma Kaikai Kiki Co., die für die Massenherstellung von Merchandising-Artikeln, Animationsfilmen und Corporate Design zuständig ist. Frankfurt beherbergt einen Kaikai-Kiki-Shop als Teil der Ausstellung. Dort gehen Buttons, Schlüssel-Anhänger, Kuscheltiere, Plüschblumen, Spielzeug und T-Shirts flott über die Theke.

Die Kunst wie der Nippes entstehen in mehreren Ateliers mit über hundert Beschäftigten, mit Abteilungen für Produkt-Entwicklung und Produktion. Die Murakami-Industrie setzt fünf Milliarden Dollar im Jahr um. Kunst und Ware, Kunstwelt und Mode gehen eine verführerische Einheit ein. Andy Warhol hat es nicht bis zu solchen Verkaufs-Praktiken gebracht.

Ehrgeiz und Zielstrebigkeit zeichnen Andys Nachfolger aus, der wie dieser aus einem Milieu stammt, in dem der soziale Aufstieg keineswegs selbstverständlich ist. Der Vater war Hilfsarbeiter und Taxifahrer, die Mutter Hausfrau aus Tokio. Der Sohn erhielt den Doktortitel im euro-japanischen Nijonga-Malstil und begann, sich die japanischen Zeichentrickfilme, katzenartigen Roboterfiguren, Manga- und Anime-Serien sowie Videospiele einzuverleiben.

Entstanden ist eine "Fusion von Surrealismus, Art Nouveau und japanischen Kimonos", wie es die "New York Times" schreibt. Aber Murakami ist mehr. Er ist ein Verkaufsgenie all dessen, was seine hundert fleißigen Bienen in Amerika und Japan produzieren. Das "Time Magazine" zählte ihn im Mai zu den 100 einflussreichsten Menschen der Welt. Ein Künstler, Entertainer, Geschäftsmann mit neuartigen Kunst-Vermarktungs-Modellen.