Große Schätze in Gurlitts Salzburger Sammlung

München/Bern (dpa) - Paul Cézanne, Edouard Manet, Claude Monet, Pablo Picasso, Auguste Renoir, Ernst Ludwig Kircher, Paul Klee, Edvard Munch, Emil Nolde, Max Liebermann.

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Die Liste ist mehr als beeindruckend. Nahezu unvorstellbar ist das, was jahrelang von der Öffentlichkeit völlig unbemerkt in einem verwahrlosten Haus im Salzburger Süden lag. Denn Cornelius Gurlitt hatte die wirklichen Schmuckstücke aus seiner Sammlung nicht etwa mit in seine Münchner Wohnung genommen. Er ließ sie in dem als „Geisterhaus“ bekanntgewordenen, zugewucherten, unbeheizten Anwesen in Salzburg hinter vergitterten Fenstern zurück.

Eine Liste der Werke aus Salzburg, die das Kunstmuseum Bern jetzt ins Netz gestellt hat, gibt erstmals einen umfassenden Überblick über die beeindruckende Sammlung. Zwar ist dort auch Skurriles wie ein Phallus an einem Ring zu finden, ein „Griechisches Fruchtbarkeitssymbol“. Aber: „Das Salzburger Konvolut ist von französischen Bildern dominiert und sicher mit Abstand der interessantere und wertvollere Teil der Gurlitt-Sammlung“, sagt der renommierte Provenienzforscher Willi Korte. „Wenn die Bilder in einem ordentlichen Zustand sind, reden wir sicher von einem mehrstelligen Millionenbetrag.“ Für Werke der Impressionisten oder bekannte Altmeisterbilder, die in der Sammlung auch zu finden sind, seien heute auf dem Kunstmarkt die höchsten Preise zu erzielen.

Der Berner Museumsdirektor Matthias Frehner gerät fast ins Schwärmen. „Es hat in diesem Salzburger Teil wirklich Werke der klassischen Moderne, die von hoher Bedeutung sind“, sagt er. Das sind unter anderem die 73 mal 91,5 Zentimeter große „Montagne Sainte-Victoire“-Landschaft von Cézanne, die „Waterloo Bridge im Nebel“ von Monet aus dem Jahr 1903 oder ein „Seestück“ von Manet. Einige Werke seien von der Feuchtigkeit in dem Abrisshaus etwas mitgenommen gewesen, das sei aber inzwischen weitgehend wieder in Ordnung gebracht. „Es war nicht so schlimm, wie es ausgesehen hat.“

Ein ganz anderes Problem: die Herkunft der Bilder. „Es sind alles Werke mit offenen Provenienzen.“ Das 46,5 mal 38,5 Zentimeter große Ölgemälde „Paris Kathedrale“ von Camille Pissarro aus dem Jahr 1902 ist eines der herausragenden Objekte. Allerdings nicht nur, weil ein anderer Pissarro erst im Frühjahr bei einer Versteigerung in London rund 23,7 Millionen Euro einbrachte. „Es ist bewiesen, dass das ein Raubkunst-Bild ist“, sagt Frehner.

Nach Einschätzung des Raubkunst-Experten Korte ist „Paris Kathedrale“ allem Anschein nach ein Werk, das der jüdischen Familie Heilbronn in Frankreich von den Nazis geraubt wurde und dann irgendwie - über Umwege, die auch über Hermann Görings Kunsteinkäufer Gustav Rochlitz führten - den Weg in die Sammlung von Gurlitts Vater Hildebrand fand. Es soll sich um 1945 auf Schloss Hohenschwangau befunden haben.

„Das ist der einzige konkrete Raubkunst-Verdacht“, sagt Frehner über das Bild. Rückgabeforderungen von den Erben der ehemaligen Besitzer gebe es aber bislang noch nicht. Das Bild soll Frehners Angaben zufolge jetzt der Taskforce überstellt werden, die das Gemälde weiter erforschen soll. „Wir geben alle Werke aus dem Salzburger Teil, bei denen die Provenienz nicht geklärt ist, an die Taskforce.“

Die Vereinbarung zwischen Bern, Bund und Bayern sieht vor, dass das Museum (KMB) beim Salzburger Teil, der derzeit in einem Depot in Wien lagert, selbst entscheiden kann, wann es die Taskforce einschaltet. „Die Taskforce wird die Provenienz weiterer Werke, die sich in dem Haus von Cornelius Gurlitt in Salzburg befanden („Salzburger Fund“) und bei denen ein Verdacht auf NS-Raubkunst nicht ausgeschlossen werden kann, erforschen“, heißt es darin zwar. Aber: „Das KMB nimmt zu diesen Werken eine eigene vorbereitende Provenienzforschung vor, um zu ermitteln, welche Werke das KMB an die Taskforce übergibt.“ Das Expertengremium ist beim Schwabinger Kunstfund, der in Bayern aufbewahrt wird, dagegen automatisch zuständig.

Das Berner Museum hatte am Montag bekanntgegeben, dass es das Erbe des im Mai gestorbenen Kunstsammlers Cornelius Gurlitt annehmen will, und die ausgeklügelte Vereinbarung vorgestellt.

Was aus Gurlitts Salzburger Haus, das Picasso, Monet, Munch und Manet jahre-, wenn nicht jahrzehntelang beheimatete, werden soll, ist unterdessen noch unklar. Bei der Stadt weiß man laut Sprecher Johannes Greifeneder im Moment auch nicht so genau, was mit dem „verfallenen und abrissreifen“ Häuschen im begehrten Villenviertel Aigen im Süden der Stadt passieren soll. Das Grundstück sei sehr wertvoll. Die Stadt geht davon aus, dass das Haus in absehbarer Zukunft, im kommenden Jahr oder 2016, wohl abgerissen wird. Dazu muss aber erst einmal endgültig geklärt werden, wem das Anwesen jetzt gehört.

Über den Antrag einer Cousine Gurlitts auf einen Erbschein hatte das Amtsgericht München am Freitag noch nicht entschieden. Sie zweifelt an, dass Gurlitt im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte war, als er das Berner Museum als Alleinerben einsetzte.