Schwarzes Gold Kohle-Kunst im Ruhrgebiet an 17 Standorten
Herne (dpa) - Wie schmutzige Lumpen sehen sie aus, zerschlissen, unansehnlich: Gebrauchte Jutesäcke, in denen Arbeiter Kakao, Kaffee und Holzkohle transportierten und die zuletzt im westafrikanischen Ghana im Gebrauch waren.
Jetzt sind sie grob aneinandergenäht und verhüllen mitten im Ruhrgebiet kontrastreich die schmucke Fassade und den Seitenflügel des frühbarocken Wasserschlosses Strünkede in Herne. „Coal Market“ hat der Künstler Ibrahim Mahama seine Plastik genannt. Es ist das spektakulärste der 17 Ausstellungsprojekte, die im letzten Jahr des deutschen Steinkohlebergbaus im Ruhrgebiet zum Thema „Kunst & Kohle“ gezeigt werden. Start fast aller Projekte ist diese Woche. Die meisten enden am 16. September.
„Cafe de Costa Rica“ steht auf einem Sack, „Cocoa“ auf einem anderen. Buchstaben sind hinzugemalt, manchmal auch Zahlen: Individuelle Kennzeichen der letzten Eigentümer? Mahama (30) hat die Säcke selbst in Ghana besorgt: Eingetauscht bei seinen Landsleuten gegen neue Säcke. Der Ghanaer verhüllt seit einigen Jahren Gebäude mit solchen Jute-Überzügen, etwa die Torwachenhäuser in Kassel bei der documenta im vergangenen Jahr. Das Zusammennähen der Jute-Säcke übernehmen Freiwillige, auch in Herne: An drei Tagen nähten 50 Helfer die Säcke zu breiten Bahnen zusammen, die dann von Industriekletterern an dem Schloss aus dem 17. Jahrhundert befestigt wurden.
Angesichts des deutschen Steinkohleausstiegs erlaubt die Plastik einen vielschichtigen Blick: Die arg gebrauchten Säcke aus Afrika erinnern an die harte und früher oft lebensgefährliche Knochenarbeit in den Steinkohlezechen des „Reviers“. Gleichzeitig verweisen sie auf den Welthandel. Die in Asien hergestellten Säcke wurde etwa zuerst in Costa Rica mit Kaffee gefüllt, um dann in Ghana weiterverwendet zu werden.
„Es ist ein sozialkritischer Ansatz“, sagt Oliver Doetzer-Berweger, Direktor des Emschertal-Museums Herne. „Er erinnert an die harte Arbeit von früher, die es heute in Afrika und anderswo immer noch gibt.“ An der Eröffnung an diesem Samstag (5. Mai) in Herne will auch Mahama selbst teilnehmen. Geplant ist ein Familienfest, bei dem es für die Kinder auch eine Bergmanns-Olympiade gibt - mit Kohlensack-Hüpfen und Eierkohlen-Laufen.
Die anderen 16 „Kunst & Kohle“-Ausstellungen im Ruhrgebiet verdienen nicht minder Beachtung. So zeigt etwa das JOSEF ALBERS MUSEUM QUADRAT BOTTROP nüchterne Schwarz-Weiß-Aufnahmen von Bernd und Hilla Becher: Fördertürme, Hochöfen und Gasometer. Das MUSEUM OSTWALL widmet der bergmännischen Laienkunst seit den 1950er Jahren eine eigene Ausstellung unter dem Titel „SchichtWechsel“.
Das LEHMBRUCK MUSEUM in Duisburg zeigt in der Schau „Reichtum: Schwarz ist gold“, wie der Rohstoff Kohle in den 1960er Jahren von der zeitgenössischen Kunst entdeckt wurde. Das MÄRKISCHE MUSEUM WITTEN bietet in „Vom Auf- und Abstieg“ Arbeiten von Künstlern, die sich mit den Anfängen des Kohleabbaus in der Region und den damit verbundenen Hoffnungen auseinandersetzen. Beteiligt ist auch das ZENTRUM FÜR INTERNATIONALE LICHTKUNST in Unna: Unter dem Titel „Down here - up there“ sind raumgreifende Installationen von drei Künstlerinnen zu sehen, die einen Ausblick auf die Veränderungsprozesse im Ruhrgebiet werfen.
Die KUNSTHALLE RECKLINGHAUSEN zeigt Werke der Brüder Gert und Uwe Tobias zum Thema Bergbau. In der LUDWIGSGALERIE SCHLOSS OBERHAUSEN sind Comics und Cartoons zu sehen, in denen es um Kohle und Bergbau geht. Das SKULPTURENMUSEUM GLASKASTEN MARL präsentiert unter anderem eine eigens für die Ausstellung produzierte Klangcollage der Klangkünstlerin Denise Ritter. Sie hat dafür unter Tage im noch laufenden Bergwerk Prosper-Haniel in Bottrop Töne aufgenommen. Beteiligt ist auch das MUSEUM FOLKWANG in Essen. Es stellt Radierungen des Grafikers Hermann Kätelhön (1884-1940) aus. Sie zeigen die neu entstandenen Industrielandschaften des Ruhrgebiets.
Für das KUNSTMUSEUM MÜLHEIM hat sich die Installationskünstlerin Helga Griffiths mit der Wandlungsfähigkeit von Kohlenstoff befasst. In Zusammenarbeit mit einem Parfümeur-Créateur komponierte sie aus destillierter Steinkohle-Essenz einen Duft. „Der Geruch erinnert an den langen Entstehungsprozess von Kohle“, schreibt das Museum. Wer davon in der Ausstellung nicht genug bekommt, kann ihn auch mit nach Hause nehmen: 18C hat die Künstlerin die Kreation genannt.