Kunsthalle Tübingen zeigt klassische Moderne
Tübingen (dpa) - In seinem „musée imaginaire“, dem erträumten Museum in seinem Kopf, habe es diese Ausstellung schon so lange gegeben, sagt Götz Adriani.
Immer wieder hat der 70-jährige Kurator sich ausgemalt, wie es aussieht, wenn die Werke der großen Meister der klassischen Moderne nebeneinanderhängen: Picasso, Cézanne, Renoir, Toulouse-Lautrec. Viele Jahre nach seiner Pensionierung hat sich Adriani diesen Traum nun erfüllt. Mit der Ausstellung „Cézanne, Renoir, Picasso & Co.“ blickt die Kunsthalle Tübingen auf jene Zeit zurück, in der Kunstliebhaber auf der ganzen Welt über das „Wunder von Tübingen“ sprachen und Hunderttausende das Museum besuchten.
Sichtlich stolz geht Adriani durch die Ausstellung. Ob eines der Werke bei ihm noch besondere Erinnerungen wecke? Er schüttelt den Kopf: „Das sind alle meine Kinder.“ Pablo Picasso steht mit 22 Werken im Zentrum der Ausstellung zum 40. Jubiläum der Kunsthalle, denn mit Picasso hat irgendwie alles angefangen. „Picasso ist das Jahrhundertgenie. Und mich hat immer interessiert, von wem Picasso inspiriert wurde“, erzählt Adriani. So kam er in den 80er Jahren zu den französischen Malern der klassischen Moderne. Und wo er sich nun schon einmal für Paul Cézanne, Auguste Renoir und Henri de Toulouse-Lautrec interessierte, zeigte er sie auch in der Kunsthalle.
„Ich habe immer nur gezeigt, was mir selbst gefallen hat, nicht das, was ich für erfolgsversprechend hielt. Da bin ich sehr egoman“, erzählt der Kurator. Qualität sei in der Kunst ohnehin eine sehr subjektive Angelegenheit. Doch sein Erfolg war durchschlagend. Bis zu 500 000 Besucher pro Jahr kamen in die damals noch völlig unbekannte Kunsthalle.
In der Jubiläumsausstellung findet man um Picasso herum eine in dieser Dichte bislang einzigartige Präsentation von 71 Werken der klassischen Moderne in Frankreich. Sehr am Herzen liegen Adriani dabei die 18 Gemälde, Aquarelle und Zeichnungen von Cézanne, jenem französischen Maler, dem die Kunsthalle 1993 ihre erfolgreichste Ausstellung zu verdanken hatte.
Letztlich ergibt sich dadurch eine wilde Mischung: schmucklose Bleistiftskizzen, naive Landschaftsmalerei, düstere Ölgemälde, farbenprächtige Aquarelle, Porträts mit irritierenden Perspektiven. Dass das museumspädagogisch gesehen überhaupt nicht zusammenpasst, kümmert Adriani kein bisschen. „Ich habe kein pädagogisches Eros.“ Wenn die Besucher die Kunst nicht verstünden, dann sei das eben so. Außerdem stehe ja neben jedem Bild, wer es gemalt hat und wann. „Ça suffit!“, findet Adriani - das müsse reichen. Und den Katalog zur Ausstellung gebe es ja auch noch.
Die Jubiläums-Ausstellung, die ursprünglich den Untertitel „Ära Adriani“ tragen sollte, jetzt aber den neutralen Beisatz „40 Jahre Kunsthalle Tübingen“ bekommen hat, ist bis zum 29. Januar 2012 zu sehen. Nächstes Jahr gibt es dann als zweiten Teil die Ausstellung „Beuys, Warhol, Polke & Co.“ mit Werken damals noch völlig unbekannter Künstler, von denen viele Adriani ihren Durchbruch zu verdanken haben.
Dass die Schau zur klassischen Moderne der zuletzt nicht eben erfolgsverwöhnten Tübinger Kunsthalle nun wieder einen Publikumserfolg wie in den 80er und 90er Jahren bringen könnte, glaubt Adriani aber nicht. Die Konkurrenz durch andere Freizeitbeschäftigungen sei heute einfach zu groß. Die Zeit für große Wunder sei vorbei.