Bonn Die malende Jugend erobert die Museen

Bonn · Triumphal wirken die 500 Gemälde der 30- bis 40-Jährigen, für die sich die Kunstmuseen in Bonn, Chemnitz, Hamburg und Wiesbaden verbündet haben.

„Funny Games“, „Lustige Spiele“, nennt der Berliner Maler Lukas Glinkowski seine poppig bemalte Spiegelwand.

Foto: Kunstmuseum Bonn/Kunstmuesum Bonn

. Als Nicolaus Schafhausen im Jahr 2003 die malende Jugend in den Kunstverein Frankfurt holte, löste er einen Hype um die Pinselhelden aus. Die Ausstellung brachte Entdeckungen wie Corinne Wasmuht und Kai Althoff, die heute Stars sind. Doch der Elan verpuffte. Vielfach verabschiedeten sich die Museen von der Malerei. Erst jetzt, 16 Jahre später, verbünden sich die Institute in Bonn, Chemnitz, Hamburg und Wiesbaden und versammeln unter dem Titel „Jetzt!“ die junge Malerei in Deutschland. In großen Überblicksausstellungen, je Ort mit anderen Bildern, aber denselben Künstlern, gibt es ausschließlich Tafelbilder. Wir besuchten das Kunstmuseum Bonn, wo Stephan Berg alles ausräumte für 150 Werke von 53 Künstlern in 26 lichtdurchfluteten Räumen.

Nichts als das Tafelbild ist in dieser Schau gefragt

Berg war der Impulsträger fürs Mammutprogramm und riss die Kollegen mit. Schließlich inspizierten sieben Fachleute die Ateliers der Jugend zwischen Berlin und München, Düsseldorf und Köln, Leipzig, Dresden. Sie nahmen alles in Augenschein, was heutzutage kaum noch selbstverständlich ist. Sie sammelten und wählten aus. Sie wollten, so Berg, keinen Zeitgeiststil, keine Theorie und keine Installationen haben. Also nur Kunst als Tafelbild.

Zahlenmäßig führen Künstler aus Berlin, Leipzig und Düsseldorf die Szene an. Interessantes kommt aber auch aus Hamburg und München und aus den Randgebieten. Den Auftakt bestreitet die „Düsseldorfer Malerschule“ mit Absolventen aus der Klasse Albert Oehlen. Max Frintrop zeigt triumphale Spray-und Pinselarbeiten, Acryl für die Vordergründe, Tusche für die Tiefe. Er lässt die Farben leuchten, spielen und tanzen. Die selbstgebauten Pinsel sind groß, unhandlich und widerständig. Sie sind ideal für einen Kraftmeier geeignet, der aber auch ganz zarte Partien hervorzaubert.

Sein einstiger Kommilitone Andreas Breunig liebt gleichfalls das Ungegenständliche. Der Duktus wirkt energisch, die Lineatur der Balken, Raster und Schraffuren kommt scheinbar leichtfüßig daher. Immer hat man den Eindruck, dass alles voller Tempo entstanden ist. Dennoch sind die Bilder klar durchdacht und die einzelnen Partien aufeinander bezogen.

Aus Berlin und Hamburg kommen ironische Klänge

Doch die Düsseldorfer Abstraktion beherrscht nicht allein das Feld. Aus den Zentren in Hamburg, Berlin und Leipzig schallt es figurativ zurück. Lydia Balke, die in Hamburg ausgebildet wurde, scheint in jedem Bild sagen zu wollen: Kunst ist Scheiße. Im krassen Realismus werden die Genitalien mit Spaghetti drapiert, während über dem Kopf einer Hemdchen-Trägerin Hammer und Sichel gegeneinanderschlagen werden. In ihrer spöttischen Art präsentiert sie schwarze Subkultur in Gothic, mit toten Füchsen, Kartoffeltüte und Weihnachtsmütze. Und dennoch ist es eine Malweise im klassischen Stil.

Moritz Schleime, mit Standorten in Berlin und Leipzig, zieht seine malende Zunft durch den Kakao. In seiner kleinformatigen „Malerecke“ präsentiert sich die Malerei selbst in dickflüssigen Farbrückständen auf dem Boden. Der Maler ist längst entschwunden. Was bleibt, ist das Gerippe mit den Totenköpfen. Obenauf wartet ein Sektglas auf den großen Tusch für den roten Pinselstrich an der Wand, als Bild auf Bild. Ähnlich subversiv ist seine Studioszene mit zwei Typen, der eine glotzend, der andere dösend. Das Bild auf der Staffelei ist nichts als braun. Der Pinsel segelt allein auf das Bild. Ein feiner, ironischer Hieb gegen all die Schlafmützen, die nichts als die eine, politisch belastete Farbe Braun in der Birne haben.

Sie haben viel zu erzählen, die ostdeutschen Künstler. Und es ist spannend, ihnen zuzuhören. Zwei Tage vor der Vernissage schleppte David Lehmann aus Cottbus, der in Berlin an der UdK studiert hatte, ein Riesenpanorama herbei. Eine Persiflage auf die Ossis. Da wird gekotzt, gefickt, gezündelt. Der Mann mit dem Emblem der deutschen Nationalfarben steht am Grill und erstickt fast an seiner Riesenwurst. Am halb entblößten Lüstling steckt ein Sticker für Guevara. Und mittendrin lodert das prächtig gelbe Feuer, brennt im Hintergrund eine Pyramide und scheint ein Staatsmann (mit Bäuchlein) auf den Flächenbrand zu zeigen.

 Man muss diesen Künstlern nicht trauen. Das gilt selbst für Simon Modersohn aus Hamburg, der in seinen Spukhäusern die Kleinbürgeridylle mit dem Krimi verbindet, wo die Figuren nur in angeschnittener Form aus dem Innenraum lugen. Das Abgründige ist eine perfekte Schau.

Ein Sinnbild vom Fressen und Gefressenwerden liefert Sebastian Gögel aus Leipzig-Berlin, der sich den Unterhalt als Tätowierer verdient. Seine Typen auf der Leinwand wirken wie Crash-Test-Dummies, Gevatter Tod und der arme Teufel liegen sich fast schon in den Armen.

Der Berliner Lukas Glinkowski, Meisterschüler von Katharina Grosse, vertauscht die Leinwand mit den Spiegelkacheln. So sind wir mit all den Comics, poppigen Herzen, Masken und Fratzen ein Herz und eine Seele. Die Subkultur lässt grüßen, und wir sind im Bild.

Doch es gibt zwei Ausnahmen. Jegliche Erzählfreude dampft die Düsseldorferin Vivian Greven in ihren Hybriden ein. Sie spiegelt die Kunst des Digitalen, aber mit dünnem Pinsel und feinen Farben. Ihre Liebenden werden nie zueinanderfinden. Der Kopf, der sich beugt, ist aus antikem Stein, und die Frau, die sich ihm entgegenstreckt, muss mit einem Kunstwerk vorliebnehmen. Die Meisterschülerin von Anzinger zitiert klassische Vorbilder, aber auch das Internet, um sich sogleich davon zu distanzieren. Sie spielt mit dem Zeitgeist, ihr Stil wirkt trendy. Aber niemand kann die süßlich-lieblichen Gelbgrüns und die Fleischfarben so suggestiv dem Internet angleichen wie ihre Malerei.

die zweite Ausnahme im Umgang mit der Farbe ist Dana Greiner aus München, Schülerin der Pia Fries. Sie arbeitet mit Sprühlack und Acryl auf Glas und scheint dabei die Strahlenbilder der Sonia Delaunay in die Gegenwart zu übertragen. Ungemein feinsinnig ist der Auftrag, wobei die stark leuchtenden Farben durch abgetönte Flächen in Schach gehalten werden.