Düsseldorf. Dass Stephen King die Musik von Ryan Adams schätzt, ist nicht neu. Zuletzt hat er ihm in seinem Roman "Love" eine literarische Verneigung gewährt. Jetzt entpuppt sich der Horror-Autor als glühender Verehrer des Mannes aus Jacksonville/North-Carolina. "Nun, ich werde hier nicht behaupten, dass Adams der beste nordamerikanische Singer/Songwriter seit Neil Young ist, . . . aber ich werde mich hüten, das Gegenteil zu behaupten." Das erzählt King nicht im Interview, sondern schreibt es in der Pressemitteilung der Plattenfirma für Adams’ jüngstes Werk: King macht auf zwei Seiten PR für "Easy Tiger".
Adams setzt seine 13 neuen Songs zu einer Perlenkette zusammen
Produktiv - dieses Attribut heftet Ryan Adams spätestens seit 2005 am Revers. Damals hat er gleich vier Alben in einem Jahr veröffentlicht. Diesmal hat er sich Zeit gelassen, ganze 18 Monate. ". . . and there’s always new songs to sing": Eher beiläufig, fast schon lakonisch singt Ryan Adams diese für ihn programmatische Zeile in "Pearls on a string" und setzt 13 neue Lieder zu einer Perlenkette zusammen. "Easy Tiger" ist das zumeist dezent-melancholische, insgesamt sehr versöhnlich klingende neunte Solo-Werk des 32-Jährigen. Liebling der Musikkritiker ist er seit langem, mit Alben wie "Heartbreaker" (2000), "Gold" (2001), "Love is hell (1 und 2)" und vor allem "Cold Roses" (2005) hat er Americana und Alternative Country erneuert und einem breiteren Publikum eröffnet. Den Weg, den er zuletzt mit "Jacksonville City Nights" beschritten hat, geht er mit "Easy Tiger" konsequent weiter: country-lastig, sehr emotional, musikalisch eher karg instrumentiert. Eingespielt hat er die CD mit The Cardinals, seiner Live-Band. Entspannt, hoch professionell und sehr routiniert - das Album wirkt als Einheit, hat keinen wirklich schwachen Song, wenngleich Adams’ bisweilen weinerlicher Gesang auf Dauer nicht stimmungsrettend ist. Ein trauriges Album ist es dennoch keinesfalls. Vielmehr klingt es reifer - und vielleicht auch konsequenter als die Vorgänger. Ryan Adams ist eigenen Angaben zufolge inzwischen "clean" und "trocken". Dass das Album im Grundton etwas anders klingt, macht er wie folgt fest: "Vielleicht liegt es daran, dass ich inzwischen nüchterner und erwachsener bin." Eine neu (oder zurück) gewonnene Klarheit, die ihm neue Freiheit für seinen Arbeitsprozess schenkt. "Dinge, die ich mir nie zugetraut hätte, sind plötzlich möglich." Welche? Die Antwort bleibt aus. Adams sieht sich als Arbeiter. In seiner Branche werde mit Träumen gehandelt. Adams: "Wenn die Leute noch einen brauchen, ich hab’ immer einen über." Da ist sie wieder, seine grenzenlose Schaffenswut. Seine Texte entstehen auf einer alten Schreibmaschine. Aufstehen, Kaffee kochen, hinsetzen: "An der Schreibmaschine habe ich noch keinen Tag meines Lebens vergeudet." Da geht nicht nur Stephen Kings Herz über.
Das Mädchen sagte zu ihm "Easy, Tiger", ruhig, Kleiner!
Kein Rock-Album ohne Legende: In diesem Fall ist es der Titel des Albums. Ein Mädchen, das mit Adams essen gehen wollte, hat ihn demnach geprägt. "Sie wollte mit mir essen, abends um acht. Ich wollte aber sofort los. Sie sagte nur ,Easy, Tiger’." Ruhig, Kleiner! Den Spruch habe er sofort seinem Gitarristen Neal Casal auf den Anrufbeantworter gesprochen: "Vergiss die Worte nicht, ich hab’ mit ihnen noch was vor."Beruhigend - auch das ist "Easy Tiger". Nicht nur in seiner Ausrichtung, sondern auch in seiner Haltung. Ryan Adams erinnert an Neil Young ("Tears of Gold", "On Broadway") und Willie Nelson ("Goodnight Rose") und liefert so eine Reminiszenz von nordamerikanischer Musikgeschichte ab, in der er mehr denn je verwurzelt ist.
Easy Tiger Kurzkritik Mehr denn je nimmt Ryan Adams mit "Easy Tiger" (Universal) Folk und Country ins Visier. Nur selten dringt Rock durch die feinen Songs, die trotz aller Kargheit kraftvoll schillern. Zumeist setzt er auf Reduktion: perlende Akustikgitarren, eine jaulende Steel-Guitar, schleppende Schlagzeug-Rhythmen. Das alles klingt perfekt produziert, aber auch alles andere als neu. "Easy Tiger" ist Adams’ Spiel mit den uramerikanischen Musiktraditionen - sehr schön, aber nicht (mehr) aufregend.
Highlights "Two" - hier unterstützt Sheryl Crow Adams am Mikro - ist atmosphärisch dicht, schmiegt sich an. Bretthart und eine Rarität auf dem Album: "Halloweenhead". Hier darf geschrammelt werden. "The Sun Also Sets" ist eine herrliche Piano-Pop-Nummer - beim dritten, vierten Hören der Favorit des Albums.