Interpol: Auf einen Absinth mit Oscar Wilde

Mehrmals bereits haben sich Interpol getrennt. Vielleicht erklärt das, warum auf ihrem neuen Album "Our Love To Admire" die Gräben zwischen Euphorie und Abgrund so tief sind.

Düsseldorf. Viermal haben sie sich seit ihrem letzten Album "Antics" aufgelöst. Viermal haben sich Interpol wieder zusammengerauft. Sie haben an neuen Songs geschrieben, haben sich bemüht, einen neuen Sound innerhalb ihres alten zu kreieren. Paul Banks, Carlos D., Daniel Kessler und Sam Fogarino haben ein weiteres Mal versucht, die alten Heroen von Joy Division zu zitieren und sich von der neuen britischen Konkurrenz in Gestalt der Editors im Kampf um deren würdige Nachfolge nicht beeindrucken zu lassen. Heraus kam "Our Love To Admire", eine Fortschreibung der düsteren Epen der beiden Vorgängeralben, wenngleich beim ersten Hören weniger elektrisierend, weil mutloser anmutend. Ob das stimmt?

Nach fast drei Jahren Pause galt im Interpol-Studio der neue Leitsatz "More Keyboards". Carlos Dengler, hauptberuflich Bassspieler bei Interpol, soll dieser Maxime schon während der Kompositionsphase gefolgt sein. Songs wie "No I In Threesome" leben von dieser neuen "Beschwingtheit" und geben dem eigentlich schwermütigen Song eine unerwartete Wendung mit Kurs auf Versöhnung und Trost. Das irritiert. Fast schon ist man besorgt, die sonst alles umgebende Apokalypse sei einer gefälligen Melancholie gewichen. Doch Interpol verklausulieren ihre grimmigen, düsteren Texte gern mit der Beschwörung von Freud und Leid der Unterhaltungschemie.

"Melancholie sells", so scheint es. Zumindest in hübsch dosierten Dosen. Die vier- bis fünfminütigen Wellness-Kuren gegen allzu gute Laune sind, das unterscheidet Interpol von vielen, oft schludrig agierenden Ian-Curtis-Jüngern, allerdings nicht einfach so hingeschrammelt, sondern handwerklich exakt gefertigt und von geradezu unheimlicher formaler Strenge. Und trotz der düsteren Farbe erstrahlt ihre Musik ungewöhnlich hell.

Im Vergleich zu "Our Love To Admire" muten "Antics" und besonders "Turn On The Bright Lights" fast schon karg an. Jetzt schweben Bläser und Streicher durch die Arrangements und verleihen den Stücken eine einnehmende, düstere Opulenz und Größe. Insgesamt alles weniger elegisch, dafür konzentrierter, eine Spur härter und düsterer und ein bisschen weniger verträumt.

Highlights Der Opener "Pioneer to the Falls" betört mit einer sakralen, atmosphärisch dichten Stimmung und klingt zugleich doch rockig. Die Single "The Heinrich Maneuver" verkörpert mit einem hypnotisch treibenden Bass den typischen Interpol-Sound: dramatisch aufwühlend. Der Rausschmeißer "The Lighthouse" überrascht fast ohne Percussion mit einer wehmütigen Gitarre und blutet langsam aus.