Kurt Masur: Mit Musik im Gepäck in die Welt reisen

Geburtstag: Heute wird der Dirigent Kurt Masur 80 Jahre alt und leitet ein Mammutkonzert.

Düsseldorf. Zweimal schien es, als sei es mit Kurt Masurs Karriere vorbei: Nachdem er sich für Cello, Klavier und Dirigieren immatrikuliert hatte, brach der am 18. Juli 1927 geborene Schlesier das Studium nach nur zwei Jahren ab. Seine Fingergelenke machten eine Konzertlaufbahn zunichte. Beim zweiten Ereignis, 1972, hätten die Folgen noch ernster aussehen können: Masur verschuldete einen Autounfall, bei dem nicht nur seine zweite Ehefrau, sondern auch zwei weitere Reisende ums Leben kamen. Zu einer Anklage kam es dennoch nicht.

Da war Masur schon Gewandhauskapellmeister und auf dem Weg zu einem einzigartigen Siegeszug mit der musikalischen Hochgeschwindigkeitsbahn rund um die Welt. In 26 Jahren leitete er 900 Tourneekonzerte und 42 Uraufführungen. Ihm gelang es sogar, den Machthabern des SED-Regimes die Zustimmung zum einzigen Konzerthausneubau in der DDR abzuringen, das Leipziger Gewandhaus mit seiner einzigartigen Orgel, eröffnet 1981, wenige Jahre vor dem Zusammenbruch des Staates.

1989 übte Masur unversehens auch politisch eine rädelsführende Rolle aus. Er war Mitunterzeichner des Aufrufs "Keine Gewalt!", mit dem 100 000 demonstrierende Leipziger geschützt werden sollten - vor sich und den bereitstehenden Panzern. Wer nicht dabei sein konnte, saß fassungslos am Fernseher: Fast 30 Jahre nach dem Mauerbau mit der totalen Isolation des halbierten Landes demonstrierten die Menschen, strömten in die Kirchen, brachen das erzwungene Stillschweigen. Die erste friedliche Revolution der Geschichte nahm ihren Lauf.

Es existiert mit Sicherheit keine Weltstadt, in die Masur seine Musiker nicht bereits geführt hätte, und diese standen immer bereit: von 1967 bis 1972 die Dresdner Philharmoniker, von 1970 bis 1996 die Gewandhauskapelle, von 1991 bis 2002 das New York Philharmonic Orchestra, seit 2002 auch das Orchestre National de France in Paris. Es gibt wenige Auszeichnungen außer dem Friedensnobelpreis vielleicht, die ihn nicht zieren, Ehrendoktorwürde, Akademiemitgliedschaften, Ehrenbürgerschaften (Leipzig, Breslau). Eine der kuriosesten Auszeichnungen ist vermutlich der Wirtschafts- und Kommunikationspreis "Heiße Kartoffel" des Mitteldeutschen Presseclubs.

Was Masurs Musizieren indes so - ja populär macht: Unter seinem Dirigat erreichte der Leipziger Klangkörper, den immerhin schon Felix Mendelssohn Bartholdy und Wilhelm Furtwängler vor ihm geleitet hatten, Weltformat mit einem ausbalancierten, runden, sonoren Klang, den, wer will, auch gepflegten Traditionalismus nennen kann. Vielen scheint dies als Nachweis einer Klassiker-Herkunft zu gelten: 8000 Menschen werden heute in der Royal Albert Hall erwartet, wenn Masur dort das London Philharmonic und das Orchestre National de Paris dirigiert. "Was soll ich sonst tun", hat er gesagt. "Oder soll ich aufmeinen Tod warten?" Nein. Weiter dirigieren!