Düsseldorf zeigt umfassende Retrospektive Yoko Ono: Mehr als nur die Frau von John Lennon
Düsseldorf · Schon lange vor ihrer Beziehung mit John Lennon war Yoko Ono eine bekannte Künstlerin.
Eine durchbohrte, weiße und gerahmte Leinwand empfängt den Besucher. Wer Mut hat, folgt der Aufforderung „Bohre ein Loch und schaue dadurch!“ Und macht‘s. Genauso spielerisch heißt es im nächsten Raum, in dem schwarze Stoffbahnen an der Wand hängen. Daneben steht: „Zieh‘ die schwarzen Tücher über…“ Einige stülpen sie sich über und geistern als voll verschleierte Wesen umher. Ganz am Ende steht in einem schneeweißen Raum ein ebenso weiß getünchtes, angeschrägtes Flüchtlingsboot, das einlädt, mit blauen Malstiften Friedens-Botschaften darauf zu schreiben.
Bereits beim ersten Blick in die Ausstellung „Yoko Ono. Music oft the mind“ im Parterre der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen wird klar: Bis heute geht es der japanisch-amerikanisch-britischen Künstlerin – salopp gesagt – ums Mitmachen. Manchmal auch um Singen und Schachspielen. Um ‚Partizipation‘, wie Kunsthistoriker sagen.
Yoko Ono (Jahrgang 1933), Tochter eines japanischen Bankers und Konzertpianisten, arbeitete seit Mitte der 1950er Jahre als Musikerin und als eine der wenigen Avantgarde-Künstlerinnen (und frühe Feministin) in Tokyo und New York. Zu Weltruhm brachte sie es aber erst seit 1967, durch die künstlerische Verbindung und dann die Ehe mit John Lennon, die 1980 jäh durch den spektakulären Mord an dem Ex-„Beatle“ auf offener Straße in New York City beendet wurde.
Onos Werk wird aber nicht nur wegen der Verbindung zu Lennon in einer umfassenden Museums-Retrospektive gewürdigt. „Ihre frühen Werke waren teilweise visionär und bahnbrechend für Konzept-Kunst, Fluxus- und Aktionskunst. Und haben einen festen Platz in der Kunstgeschichte“. Davon ist Patrizia Dander überzeugt. Zusammen mit Kollegen der Londoner ‚Tate Modern‘ kuratierte sie eine vielseitig anregende und abwechslungsreiche Schau, die danach noch im Berliner ‚Gropius Bau‘ zu sehen ist.
Aus der Vor-Lennon-Zeit ist sie auf einem Video zu erkennen: die junge Yoko wird 1964 auf der Bühne der New Carnegie Hall gefilmt- kurz bevor sie eigene Stücke spielt. Denn zu (auch in Düsseldorf agierenden) Fluxus-Künstlern und Musikern John Cage stand sie in engem Kontakt und zählte zum Inner Circle der experimentellen Musik. 1961 kreierte sie bereits ihr „Toilet Piece“ – eine rauschende Wasserspülung. Ein Knopf an der Wand, ein Lautsprecher. Mehr ist nicht zu sehen.
In mehreren Räumen staunt man über 200 Werke – darunter schriftliche Anleitungen zum Mitmachen, Partituren, Installationen, Filme und internationale Zeitungsausschnitte (von 1967 „John und Yoko Lennon“). Ebenso Fotografien, Plakate (an New Yorker Hauswänden klebend) – wie „War is over“, und alte Plattencover. Hinter Glas natürlich die alten Alben, die das Paar meist im Namen des Friedens komponiert und aufgenommen hat. Auf Monitoren und Mithör-Stationen laufen bekannte Lieder von Lennon/Ono oder Telefon-Gespräche, als die beiden damals das „Bed in“ erfanden. Das war eine experimentelle Form des gewaltfreien Protests für den Frieden, die sie 1969 als „Bed-In for Peace“ (während des Vietnamkriegs) im Hilton Hotel in Amsterdam und in Montreal inszenierten. Das Leben in einem Bett (‚Bed-In‘) wurde überall kopiert und zum Symbol der Rebellion der Jugend.
Bis heute ist es eine der weltweit bekanntesten Kunstaktionen für den Frieden, die eine brennende Aktualität erhält – durch heutige Kriege in der Ukraine, im Gazastreifen und neuerdings im Libanon. Dass auch Schüler eines Düsseldorfer Gymnasiums (als Gäste bei der Vorbesichtigung) sich damit beschäftigen, ist zu erkennen an den Schriftzügen auf dem Flüchtlingsboot (im letzten Raum): „Frieden für alle!“ „Inklusion für alle!“ „Mehr Yoko in der Welt!“ schreiben sie in großen Lettern auf die Barke. Wenn’s so weitergeht, könnte der Raum Ende März 2025 bis zur Decke beschrieben sein mit Friedens-Botschaften.
In der Planungsphase der Schau 2022, so die Kuratorin, begann gerade der Einmarsch Russlands in die Ukraine. Wäre interessant, was die 91-jährige Aktivistin und Mrs. Lennon von damals, die in London lebt, heute dazu sagen würde. Doch „Yoko Ono reist nicht mehr,“ bedauern Londoner Freunde, die sie in Düsseldorf vertreten.
Voller Poesie, Humor und tiefgründigem Augenzwinkern kommen viele, manchmal auch niederschwellige Exponate rüber. So eine einer Kugel durchschossene Glasscheibe („Schauen Sie durch das Loch“) oder eine Installation von ‚halben Sachen‘. Durchgeschnitten ist hier alles: Koffer, Schuhe, Tisch, Regal, Teekanne, Gemälde und Leiter. Dann heißt es „Fly“ (Fliege) oder „Touch“ (Berühre). Oder „Play“ – zu einer seltsamen Schachpartie laden zwei Tische mit weißen Schachbrettern und nur weißen Schachfiguren ein. Auch hier spürt man, dass die Künstlerin die Fantasie anregen will. So schreibt Ono zum von ihr gewählten Titel der Schau „Der einzige Klang, der für mich existiert, ist der Klang des Geistes. Meine Arbeiten sind dazu da, den Menschen eine Musik des Geistes einzugeben“.
Yoko Ono. Music of the mind. Im K 20, Kunstsammlung NRW, Grabbeplatz, Düsseldorf. Bis 16. März 2025. Di.- So. 11- 18 Uhr. Jeden 1. Mittwoch im Monat: 18-22 Uhr: Open House, Eintritt frei.