Meinung Das Projekt "Ocean Cleanup": Gigantischer Idealismus, gigantisch vermarktet
Das Projekt „Ocean Cleanup“, das an diesem Samstag startet, bürstet unsere romantischen Vorstellungen vom ökologischen „David gegen Goliath“-Kampf gegen den Strich. Boyan Slat und seine Mitstreiter bekämpfen Gigantisches mit Gigantischem: gigantischer Idealismus, eine gigantische Marketing-Maschinerie und ein gigantischer Aufwand gegen schätzungsweise 1,8 Billionen Plastikteile allein im großen Müllwirbel des Pazifik.
Wenn man bedenkt, dass dieses gewaltige Projekt in nur sieben Jahren aus dem enttäuschenden Tauchurlaub eines 16-Jährigen vor Griechenland entstanden ist, kann man nur den Hut ziehen. Damals ging dem jungen Boyan der viele Müll gegen den Strich, den er entdeckte. Und er setzte in der Folge eine beeindruckende Tat- und Überzeugungskraft gegen die Tatenlosigkeit, mit der die internationale Staatengemeinschaft die Vermüllung der Weltmeere viel zu lange hingenommen hat.
Medien — und nicht nur sie — lieben solche Geschichten. Denn Erzählungen dieser Art bedienen unsere Sehnsucht, dass bedrohliche Missstände vielleicht doch mit einem einzigen großen Befreiungsschlag zu beheben sind, dass menschlicher Erfindungsgeist und millionenschwere Investitionsbereitschaft letztlich alle Herausforderungen meistern. Aber die Erfahrung lehrt, dass diese Sehnsucht oft enttäuscht wird.
Ob „Ocean Cleanup“ eine wissenschaftlich fundierte Erfolgsgeschichte wird, ist offen. Zu wünschen wäre es. Aber selbst das würde die Weltgemeinschaft nicht von der Verpflichtung entbinden, wirkungsvolle Maßnahmen gegen eine weitere Vermüllung zu entwickeln. Vielleicht ist der Gigantismus des „Ocean Cleanup“-Projekts dabei dann doch nicht immer die richtige Antwort. Die weltweite Etablierung sinnvoller Müllentsorgungssysteme und die Reduzierung der Plastikproduktion für Verpackungen und Einwegprodukte setzen wesentlich früher an — unspektakulärer, aber womöglich noch effektiver.