Meinung Der späte EU-Tropfen auf den heißen Sand

Immerhin: Im Gegensatz zum maltesischen EU-Gipfel im November 2015 hat das Treffen der Staats- und Regierungschefs am Freitag mit dem Beschluss des Zehn-Punkte-Plans und der Bewilligung von schnellen 200 Millionen Euro wirklich mehr gebracht als warme Worte.

Ein Kommentar von Ulli Tückmantel.

Foto: Schwartz, Anna (as)

Aber es bleibt ein später Tropfen auf den nordafrikanischen Sand, der kaum ausreichen wird, Hunderttausende Flüchtlinge auf dem afrikanischen Kontinent am Besteigen wackeliger Boote zu hindern.

Bislang setzte die EU vor allem auf Zäune, teils mit Erfolg. Marokko erhielt vor zehn Jahren von der EU rund 68 Millionen Euro, um seine Grenzen zu sichern. Noch einmal 250 Millionen Euro gab Spanien in den vergangenen sechs Jahren für seine Grenzsicherung aus. Der Erfolg: Kamen 2006 noch knapp 32 000 Flüchtlinge aus dem Senegal, Mauretanien, Marokko und von den kanarischen Inseln illegal nach Spanien, waren es 2012 nur noch 170; zuletzt stieg die Zahl wieder auf knapp Tausend an.

Zäune allein werden jedoch bis zu 350 000 afrikanische Flüchtlinge nicht in einem nach wie vor zerstörten Staat wie Libyen zurückhalten; 180 000 Menschen kamen 2016 auf der zentralen Mittelmeerroute nach Europa. Deshalb ist es bei aller Kritik an libyschen Menschenrechtsverletzungen richtig, dass die EU dort Geld ausgibt und die Zusammenarbeit sucht. Richtig ist ebenfalls, dass die EU Zahlungen aus ihren Entwicklungshilfe-Mitteln für Afrika künftig grundsätzlich mit Gesprächen über Migrationsfragen verknüpft, denn südlich der Sahara sind längst weitere Millionen Menschen bereit, sich auf den Weg zu machen.

Die bange Frage, die Europa sich stellen muss, ist, ob der Zehn-Punkte-Plan noch rechtzeitig kommt und ausreichend ist, um ab dem Frühjahr humanitäre Katastrophen rund um das Mittelmeer zu verhindern — und gleichzeitig nicht durch die Türkei erpressbar zu werden, in der es keinerlei Anzeichen für eine Rückkehr zu rechtsstaatlich-demokratischen Strukturen gibt.

Wie erfolgreich eine veränderte EU-Flüchtlingspolitik sein kann, ist sowohl von den Wahlergebnissen in den Niederlanden, Frankreich und Deutschland abhängig wie zugleich der Erfolg oder Misserfolg der EU diese Wahlen beeinflussen wird. Auf Bundeskanzlerin Merkel kommen international die kritischsten Monate ihrer Regierungszeit zu. Ihr Wahlkampf wird weitgehend ihr Krisenmanagement sein müssen.