Meinung Die Grünen stehen sich selbst im Weg
Den Grünen passt es gut, dass sich die innenpolitische Aufmerksamkeit in diesen Tagen ganz auf die Regierungsbildung konzentriert. Im Schatten der großen politischen Ereignisse dreht sich das grüne Personalkarussell.
Dass die Vorsitzende Simone Peter dabei früher oder später herunterfallen würde, kommt wenig überraschend. Gegen die Brandenburgerin Annalena Baerbock hätte die Saarländerin kaum eine Chance gehabt. Umso erleichterter dürfte Peter gewesen sein, dass sich doch noch eine linke Flügelfrau zur Kandidatur bereiterklärte. Die niedersächsische Fraktionschefin Anja Piel lässt Peters Verzicht nun wie eine generöse Geste erscheinen.
Zusammen mit Robert Habeck bewerben sich also drei Persönlichkeiten für die zwei Chefposten der Partei. Die Delegierten auf dem Bundestreffen Ende Januar in Hannover haben damit eine echte Wahl. Schon das zeichnet die Grünen aus. In der SPD oder der Union sind derlei demokratische Gepflogenheiten in Vergessenheit geraten. Bei den Grünen war der Parteivorsitz allerdings noch nie das zentrale politische Kraftzentrum. Denn man achtet stets auf Machttrennung — Partei, Fraktion, linker Flügel, rechter Flügel, Frau und Mann, Regierung und Parlament. Deshalb ist auch noch nicht ausgemacht, ob Robert Habeck zumindest für eine Weile gleichzeitig Parteichef und weiter Umweltminister in Schleswig-Holstein sein kann. Für Außenstehende ist das zutiefst befremdlich, zumal Habeck der wohl größte Hoffnungsträger der Grünen ist, den die Partei seit Joschka Fischer hatte. So steht die politische Etabliertheit der Grünen in auffälligem Kontrast zu den immer noch gepflegten Vorstellungen aus ihren politischen Kindertagen, wonach Macht und Mächtige per se des Teufels seien. Dieser alte Zopf gehört endlich abgeschnitten.
Bei den Grünen brechen neue Zeiten an. Co-Parteichef Cem Özdemir wäre gern Minister in einer Jamaika-Koalition geworden. Nun ist er weder das eine, noch bleibt er das andere. Schwer verzockt, muss man da sagen. So breit ist das talentierte Personal bei den Grünen allerdings auch nicht gesät, als dass die Partei ihren „anatolischen Schwaben“ in die politische Bedeutungslosigkeit schicken sollte. Özdemir wäre sicher ein guter Fraktionschef. Aber auch an dieser Stelle kommen wieder grüne Regularien ins Spiel, nach denen sich Özdemir darauf keinerlei Hoffnung machen konnte. Er verzichtete. Manchmal stehen sich die Grünen selbst im Weg.