Meinung Flüchtlinge und ihr Alter: Anspruch und Realität

Die Bluttat von Kandel, bei der vor einer Woche ein angeblich minderjähriger Asylbewerber seine 15-Jährige deutsche Ex-Freundin erstochen hat, wird noch lange nachwirken. Ähnlich wie seinerzeit der gewaltsame Tod einer jungen Studentin in Freiburg.

Jede dieser Taten zerstört viel Vertrauen: in die Möglichkeit, freundlich und respektvoll mit Flüchtlingen egal welchen Alters zusammenleben zu können. In die Integrationsfähigkeit und den Integrationswillen der Menschen, die aus einer anderen Kultur ins Land gekommenen sind. Und diese Taten zerstören das Vertrauen in den Staat und seine Fähigkeit, seine Bürger vor Fremden schützen zu können.

Es gehört inzwischen fast schon zur politischen Kultur, nach solchen Taten reflexartig nach schärferen Gesetzen zu rufen. Ohne dabei zu bedenken, dass erstens verfassungsrechtlich oder praktisch nicht alles möglich ist. Und zweitens, dass es oft kein Defizit der rechtlichen Möglichkeiten gibt, sondern eher eines des konkreten Vollzugs. Für das Asylrecht und den Umgang mit kriminell gewordenen Ausländern gilt das allemal. Siehe den Fall des Attentäters Amri vom Berliner Weihnachtsmarkt. Auch nach Kandel ist die Forderungsmaschinerie ins Rollen gekommen. Nun soll eine obligatorische medizinische Altersfeststellung bei vermeintlich jugendlichen Flüchtlingen eine Konsequenz sein. Die Union hat recht, man darf es nicht hinnehmen, wenn sich ein Flüchtling jünger ausgibt als er tatsächlich ist, um entweder einer Strafe ganz zu entgehen oder eine mildere zu erhalten. Oder aber, um seine Chancen zu erhöhen, im Land verbleiben zu können. Nur suggeriert die Forderung eben etwas anderes: Schutz. Doch in der Realität wäre der präventive Effekt einer solchen obligatorischen Altersfeststellung gering, die Tat von Kandel wäre damit vermutlich nicht verhindert worden.

Es verhält sich ähnlich wie mit der Videoüberwachung: Sie verhindert kaum Taten, nutzt aber, wenn es darum geht, den Täter zu finden und seiner Strafe zuzuführen. Überdies ist es laut Experten schon jetzt so, dass die Behörden eine zusätzliche medizinische Untersuchung anordnen können, wenn sie Zweifel am Alter des Betroffenen haben. Hier dürfte der eigentliche Schlüssel im Kampf gegen den Missbrauch bei der Altersangabe liegen. Mehr Personal und einheitlichere Vorgaben sind nötig, wann sich wer untersuchen lassen muss. Und kein Generalverdacht.