Meinung Hass im Internet - Kein rechtsfreier Raum mehr
Wenn in diese Sache ein Vorwurf irrig ist, dann der der ehemaligen Verbraucherschutzministerin Renate Künast (Grüne), dass ihr Nach-Nachfolger Heiko Maas mit dem Gesetz gegen Hassbotschaften im Internet einen „Schnellschuss“ losgelassen habe.
Mehr Geduld als der Sozialdemokrat mit Facebook und Co. bewiesen hat, geht kaum; es grenzte schon an Arbeitsverweigerung.
Denn das Treiben im Netz ist seit langem bekannt. Ebenso die Tatsache, dass man rassistische, sexistische, faschistische, homophobe oder gewalttätige Einträge melden konnte, wie man wollte, und nichts passierte. Maas hat sehr, sehr lange auf Freiwilligkeit gesetzt — die Plattformanbieter aber nicht auf die eigene Einsicht. Dann eben die Knute von Bußgeldern in Millionenhöhe.
Natürlich ist das Gesetz ein rechtlicher Ritt auf der Rasierklinge — die Meinungsfreiheit ist berührt, wenn Beiträge gelöscht werden. Und am Telefon, so das Argument der Gegner, darf der Staat ja auch nicht kontrollieren oder gar verbieten, was gesagt wird. Es ist erstaunlich, wie die Netzgemeinde die Technologie mal als basisdemokratisches Paradies überhöht, das kein Gesetz je trüben darf, mal zur bloßen Übertragungsleitung klein macht, ganz wie es passt.
Das Internet ist aber etwas dazwischen, und deshalb muss all das, was für das normale menschliche Miteinander gilt — kein Hass, keine Verleumdung, keine Bedrohung — auch hier gelten. Es muss möglich sein, anonyme Täter ausfindig zu machen, es muss möglich sein, jemanden wegen Beleidigung zu verklagen, es muss möglich sein, die Verbreitung von Hassbotschaften zu stoppen.
Auf der einen Seite stehen Algorithmen, auf der anderen aber echte Opfer aus Fleisch und Blut. Ziel der Gesetzgebung ist vor allem, dass die Anbieter sich selbst ein effektives Kontroll- und Beschwerdemanagement zulegen, wie es jedes Medium selbstverständlich hat. Es erstaunt, mit welcher Verve die Netzgemeinde mächtige Großkonzerne wie Twitter, Facebook oder Youtube zu schützen versucht, die ihre Gewinne nicht durch zusätzliche administrative Aufgaben geschmälert sehen möchten.
Weil die Anbieter selbst entscheiden sollen, was „offensichtlich“ eine Hassbotschaft ist, besteht natürlich die Gefahr des „overblocking“ — dass also eher zu viel gelöscht wird. Das könnte zwar ein reales Problem werden, ist aber noch keins. Hier wird eine vermutete Praxis der Zukunft kritisiert, derweil man sich an den erwiesenen Missbräuchen der Vergangenheit und Gegenwart offenbar weniger stört.
Man muss dieses Gesetz jetzt machen; auch als absolut überfälliges Zeichen, dass die Demokratie kein rechtsfreier Raum für gegen sie gerichtete Schießübungen von Nazis, Reichsbürgern, Rassisten oder anderen paranoiden Leuten ist. Und man muss die Wirkung der Regelungen dann sorgsam auswerten. Nachjustierung nicht ausgeschlossen.