Nordkoreas starker Mann ganz schwach

Kim Jong Un ist politisch ein völlig unbeschriebenes Blatt

Nordkoreas Diktator ist tot, es lebe der Diktator. Erst wenige Stunden im Amt, zeigt der neue Machthaber Kim Jong Un, dass er ganz in der Tradition seines verstorbenen Vaters stehen will: Mit dem Test einer Kurzstreckenrakete bemühte er sich, den Nachbarn die militärische Stärke seines Landes zu demonstrieren. Die Hoffnungen auf Reformen in der stalinistisch abgeschotteten Republik, wie sie am Montag weltweit von einigen Politikern geäußert wurden, dürften sich so schnell nicht erfüllen. Stattdessen wird die Sorge vor Instabilität in der Region mit der Inthronisierung des in den Staatsmedien bejubelten „großen Erben“ befeuert.

Die Ausgangslage ist denkbar schlecht. Kim Jong Il hinterlässt seinem Sohn einen hochgerüsteten Atomstaat mit fast einer Million Soldaten und eine quasi nicht existente Wirtschaft. Dazu hinterlässt er ihm ein hungerndes Volk. Von dem ist leider keine Revolution zu befürchten, denn es hat genug zu tun mit dem tagtäglichen Kampf ums Überleben.

Entscheidender ist sowieso die Frage, wie viel Macht der neue Kim tatsächlich haben wird. Er wurde zwar Jahre auf seine Aufgabe vorbereitet, doch politisch ist er ein unbeschriebenes Blatt. Vor allem ist unklar, ob nicht die alte Parteigarde und Militärs um die Macht kämpfen — und Kim letztlich nur als Marionette das System seines Vaters fortführt. Die große Gefahr ist, dass er seine innenpolitische Schwäche mit außenpolitischem Säbelrasseln auffüllen könnte. Möglichkeiten dazu gibt es genug.

Mit Erzfeind Südkorea befindet man sich seit 1953 offiziell noch im Krieg, Provokationen an der Demarkationslinie gehören genauso zum Alltag wie Schusswechsel an der Seegrenze, Raketentests und absurd-gefährliche Drohgebärden wegen eines beleuchteten Weihnachtsbaumes. Selbst der sozialistische Bruder China verfolgt mit Unbehagen die Vorgänge bei den Steinzeitkommunisten.

Trotzdem müssen China und die USA, aber auch Russland jetzt alles daran setzen, Nordkorea wieder an den Gesprächstisch über sein Atomprogramm zu holen. Im Zweifel geht das — wie schon bei Kim Jong Il — über Nahrungsmittelhilfe. Schon der wusste wie kein Zweiter Entgegenkommen bei der Urananreicherung mit humanitärer Hilfe zu verrechnen. Vielleicht hat der Sohn das ja vom Vater gelernt.