Christian Wulff: Moralische Kratzer am Saubermann-Bild

Bundespräsident Wulff gesteht Fehler ein

Nein, eine Amigo-Affäre war es zweifelsohne nicht, was da seinerzeit zwischen dem damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff und dem Unternehmer-Ehepaar Geerkens abgelaufen ist.

Denn nach allem, was man weiß, hat Wulff dem befreundeten Paar weder einen wirtschaftlichen Vorteil noch besonderen Zugang zu seiner Regierungszentrale gewährt. Formalrechtlich ist auch der Darlehensvertrag über 500 000 Euro als solcher nicht anfechtbar; selbst das Verschweigen dieses Vertrages vor dem niedersächsischen Landtag ist juristisch kaum angreifbar.

Dennoch war Wulffs Schweigen ein Fehler — wie er jetzt selbst eingeräumt hat: Durch dieses Schweigen habe „ein falscher Eindruck“ entstehen können. Das ist wohl wahr. Noch bedeutungsvoller ist aber, dass Wulff in der Annahme des Privatdarlehens als solcher noch immer nichts Verwerfliches erkennen mag.

Für den Ministerpräsidenten eines Landes, dessen Bedienstete Geschenke nur in einer Höhe von maximal zehn Euro annehmen dürfen, ist es — gelinde gesagt — unklug, sich eine halbe Million Euro privat zu leihen und dadurch Geld gegenüber marktüblichen Zinsen zu sparen. Denn zu abhängig wirkt dadurch der Darlehensempfänger von einer Einzelperson, zu drängend stellen sich Fragen nach den Verpflichtungen abseits von Zinsen.

Und dieses Gespür für politisch heikle „Freundschaftsdienste“ ließ Wulff schon mehrfach vermissen: Als er seinen Weihnachtsurlaub 2009 in der Villa des Unternehmers Egon Geerkens in Florida verbrachte, und als er im Sommer 2010, schon als Bundespräsident, auf Mallorca Ferien im Haus des Unternehmers Carsten Maschmeyer machte. Es sind diese inzwischen bekannten Vorfälle, die moralische Kratzer am Saubermann-Bild Wulffs hinterlassen.

Und vielleicht kommt noch ein weiterer Kratzer hinzu: Denn offenbar wollte Wulff die Darlehens-Affäre aussitzen und hat sich erst auf Druck von Kanzlerin Angela Merkel zum Eingeständnis seines Fehlers durchgerungen. Noch im September aber hatte Wulff gefordert: „Politik braucht Maßstäbe, die nicht aus dem politischen Handeln selber kommen. Politik braucht ethische Maßstäbe, die aus Überzeugung kommen, die über den Tag hinausweisen.“