Meinung Parlamentswahl in Spanien: Eine Chance auf Erneuerung

Eines steht schon vor der Parlamentswahl am Sonntag in Spanien fest: Es wird keinen Rechtsruck geben. Rechtspopulistische Bewegungen, wie sie in Frankreich, Italien, Österreich, oder auch in Deutschland existieren, gibt es in Spanien nicht.

Das ist eine gute Nachricht für Europa. Dabei ist das Potenzial der unzufriedenen Wähler im Krisenland Spanien nicht geringer als in anderen Ländern: Die immer noch große Schulden- und Wirtschaftsmisere, Massenarbeitslosigkeit, wachsende Armut, harte Sparbeschlüsse und Korruptionsskandale haben eine vom politischen Establishment enttäuschte Gesellschaft hinterlassen.

Der Unmut hat gleich zwei Protestbewegungen hervorgebracht. Die aber nicht rechts, sondern links von den regierenden Konservativen aufblühen. Der kometenhafte Aufstieg der linksalternativen Empörtenpartei Podemos („Wir können“) und der liberalen Plattform Ciudadanos („Bürger“) dürfte am Sonntag in Spanien für ein politisches Erdbeben sorgen. Die beiden bisherigen Traditionsparteien, die Konservativen von Ministerpräsident Rajoy wie die sozialistische Opposition, steuern derweil auf ein Debakel zu. Für den 60-jährigen Rajoy wird es zudem ums politische Überleben gehen, da er vermutlich keine tragfähige Mehrheit erringen wird.

Für Spanien ist das Erstarken dieser neuen Bürgerbewegungen, die eine demokratische Erneuerung versprechen und von jungen, talentierten Nachwuchspolitikern angeführt werden, ein Segen: Sie verleihen der verzweifelten jungen Generation endlich eine Stimme. Jener Generation, die unter einer skandalösen Arbeitslosigkeit von nahezu 50 Prozent leidet und sich von der alteingesessenen politischen Oberschicht im Stich gelassen fühlt. In den letzten Jahren hat sich im Königreich leider der traurige Eindruck festgesetzt, dass Konservative und Sozialisten das Land wie einen Selbstbedienungsladen führen.

Das sich anbahnende Wahlbeben eröffnet nun die Chance auf eine Läuterung, in einem Land, das eine neue politische Ehrlichkeit mindestens genauso dringend benötigt wie ökonomische Reformen, um Arbeitsplätze und langfristige Zukunftsperspektiven zu schaffen. Denn in Sachen Finanzen und Wirtschaft braucht Spanien, dessen Konjunkturmotor nach Jahren der Dauerkrise immerhin wieder angesprungen ist, ebenfalls neue Ideen und neuen Schwung, um nicht bald wieder in die nächste Krise zu rutschen.