Meinung Le Pens Wahlsieg ist kein Unfall, sondern Quittung

Wenn der Wahlsieg des Front National (FN) in der ersten Runde der französischen Regionalwahlen eines nicht ist, dann ein Betriebsunfall. Schon vor den Attentaten von Paris haben Meinungsforscher und Beobachter der rechtsextremen Truppe und ihrer Chefin Marine Le Pen ein herausragendes Abschneiden vorausgesagt.

Foto: Judith Michaelis

Nicht einmal das landesweite Rekordergebnis von 28 Prozent für die islam- und ausländerfeindlichen Rechtsausleger kann groß überraschen — das machen bestenfalls die satten 41 Prozent, die Le Pen und ihre Nichte Marion Maréchal-Le Pen in zwei Regionen eingefahren haben.

Der Wahlsieg der Rechtsextremen ist vielmehr Quittung für das Reformunvermögen der französischen Sozialisten unter Präsident François Hollande — und ebenso eine Watsche für das konservative Lager um Hollandes Vorgänger Nicolas Sarkozy, der 2017 wieder Präsident werden würde, aber politisch ebenfalls mit leeren Händen dasteht.

Beide hatten und haben keine Konzepte vor allem für die wirtschaftlichen Sorgen ihrer Landsleute. Gleiches gilt für die Sozial-, Einwanderungs- und Bildungspolitik sowie für die Themen Europa und Globalisierung. Stattdessen wildern Sozialisten und Konservative gleichermaßen im Revier von Le Pen, bedienen Klischees, schüren Ängste und Ressentiments und versprechen wie sie einfache Lösungen für eine komplexe Welt. Wähler auf der Rechtsabbiegerspur bevorzugen aber das Original — den Front National, wie am Sonntag zu sehen war. Zu verhindern ist er als dritte politische Kraft nicht mehr.

Als Weckruf und Alarmsignal sehen viele in Europa das Abschneiden des Front und fürchten einen Rechtsruck in der EU. Für den Alarm ist es freilich zu spät; es wäre ein Wunder, wenn die extreme Rechte nächsten Sonntag in der entscheidenden Stichwahl einen Dämpfer bekäme. Mit dem möglichen Verzicht der Sozialisten auf Kandidaturen spielen sie der FN-Chefin in die Hände. Sie hält die Alt-Parteien ohnehin für austauschbar — und mit ihr offensichtlich jeder dritte Wähler.

Wenn die Parteien in Frankreich den Rechten bis 2017 etwas entgegenhalten wollen, müssen sie auf harte Konfrontation mit dem FN setzen. Nicht „Wir gegen alle“, wie der Front sich selbst inszeniert, sondern „Alle gegen die“. Keine Zusammenarbeit, keine Tolerierung und kein Nachgeplapper von nationalistischem und rassistischem Unfug á la Marine Le Pen.