Riskanter Kurs Richtung Mitte

Gabriel und der linke Flügel der SPD

Spätestens seit ihrem dürftigen Abschneiden bei der Bundestagswahl ist Sigmar Gabriel eifrig bemüht, seiner SPD einen wirtschaftsfreundlichen Kurs zu verpassen. Dem umstrittenen Freihandelsabkommen mit den USA kann der Obergenosse nur gute Seiten abgewinnen. Die Vermögensteuer hat er für „tot“ erklärt. Jüngst entdeckte Gabriel sein Herz für die Braunkohle. Nun will er dafür offenbar sogar die ehrgeizigen deutschen Klimaschutzziele opfern.

Dieser Kurswechsel hin zur Mitte geht in der SPD mit erstaunlicher Geräuschlosigkeit über die Bühne. Kein Vergleich zu den Schlachten, als ein Gerhard Schröder die „Agenda 2010“ ausrief, oder ein Franz Müntefering die Rente mit 67 eintütete. Da brodelte es in der Partei. Da wurde debattiert, gestritten und gemosert, dass es die Sozialdemokratie zu zerreißen drohte. Vielleicht ist der linke Flügel der Partei darüber ja erschöpft und müde geworden. Inzwischen ist er jedenfalls nur noch ein Schatten seiner selbst.

Daran ändert auch die am Wochenende zusammen gebastelte „Magdeburger Plattform“ nichts. Ihre Protagonisten konnten sich nicht mal förmlich auf einen Sprecher einigen. Obendrein existiert dort die „Demokratische Linke 21“, zuletzt nur noch ein fundamentaloppositioneller Zirkel, weiter fort. Fesselnde Ideen? Programmatische Impulse? Fehlanzeige. Der linke Flügel der Sozialdemokaten, so scheint es, hat sich seit dem Wochenende eher noch stärker marginalisiert. Gabriel braucht ihn einstweilen nicht zu fürchten.

Dabei täte die Rückkehr zu alter Debattier-Lust dringend Not. Denn es ist ja nicht die SPD-Linke, die sich im Ringen um soziale Gerechtigkeit verändert hat, sondern Gabriel. Die Wiedereinführung der Vermögensteuer zum Beispiel stand noch 2013 im SPD-Wahlprogramm.

Sein Kalkül, die SPD „christdemokratischer“ machen zu müssen, auf dass sie bei der nächsten Bundestagswahl 2017 endlich aus ihrem 25-Prozent-Keller steigt, könnte sich als Trugschluss erweisen. Denn warum die Kopie wählen, wenn man mit Angela Merkel dann womöglich immer noch das Original haben kann?