Die Grenzen bleiben offen — gut so

kommentar Gerichtshof: EU-Staaten dürfen Sozialleistungen verweigern

Zu Beginn des Jahres machte die CSU mobil gegen Zuwanderer aus Rumänien und Bulgarien. „Wer betrügt, der fliegt“, so lautete der Spruch, der noch unschön nachhallt. Belege für ihre Unterstellung konnten die Christsozialen nicht liefern. Wie auch? Eine massenhafte Einwanderung in die deutschen Sozialsysteme gibt es nicht. Durchaus vorhanden ist in einem sicher nicht so kleinen Teil der Bevölkerung aber die Angst vor einer solchen Bewegung. Insofern wird das Urteil des Europäischen Gerichtshofs auf große Zustimmung stoßen. Denn aus Luxemburg kommt eine klare Ansage: Reiche EU-Länder müssen Ausländer aus anderen Mitgliedsstaaten nicht durchfüttern.

Im konkreten Fall geht es um eine 25-jährige Rumänin, die mit ihrem fünfjährigen Sohn seit 2010 bei ihrer Schwester in Leipzig wohnt. Um Arbeit hat sich die junge Frau nie bemüht. Nach Ansicht der Richter ist sie nur wegen der Sozialleistungen eingereist. Diese habe das Jobcenter ihr zu Recht verweigert. Die Frau könne sich auch nicht auf das im EU-Recht verankerte Diskriminierungsverbot berufen.

So weit, so gut. Wer allerdings glaubt, mit diesem Urteil seine Grenzen innerhalb der EU abschotten zu können, liegt falsch. Der britische Premier David Cameron fordert beispielsweise Quotenregelungen für EU-Migranten. Ähnliche Debatten laufen in den Niederlanden und Belgien. Aber dieser Weg wäre fatal. Und zum Glück ist er durch das Prinzip der Freizügigkeit versperrt. EU-Bürger, die in einem anderen Land der Union leben und arbeiten möchten, können dies tun. Und wer in der Fremde seinen Lebensunterhalt verdient, erwirbt dort auch Ansprüche. Wer in Deutschland einer Beschäftigung nachgeht und in die Arbeitslosenversicherung einzahlt, hat bei Jobverlust Anspruch auf Arbeitslosengeld, später auch auf Hartz-IV-Leistungen. Wer mindestens fünf Jahre in Deutschland lebt, hat die gleichen Ansprüche wie deutsche Staatsangehörige.

Die EU braucht nicht weniger, sondern mehr Mobilität ihrer Bürger. Innerhalb der EU-Staaten siedeln nur 0,3 Prozent der Unionsbürger um. Wenn Griechen, Spanier oder Rumänen, die oft gut ausgebildet sind, unser Land mit ihrem Wissen und ihrer Kultur bereichern, haben alle etwas davon.