Wegschauen ist nicht mehr möglich

Viel Gerede, wenig Substanzielles? Das kann man der am Dienstag in Berlin stattgefundenen internationalen Flüchtlingskonferenz so nicht vorwerfen. Die Unterstützung für die Nachbarstaaten Syriens, die die Hauptlast der humanitären Katastrophe tragen, wird verstärkt.

Hagen Strauß

Der Hilfeschrei dieser Länder ist gehört worden. Jetzt muss das versprochene Geld fließen — allerdings kontrolliert.

Solche Konferenzen sind freilich nur in der Lage, kurzfristig auf extreme Entwicklungen zu reagieren. Das Grundproblem in vielen Staaten wird nicht gelöst: Krieg und Terror, verursacht von Despoten oder barbarischen Milizen. Da bedarf es mehr als der Verteilung von Geld an die Opfer. Tatsache ist überdies: Flucht und Vertreibung haben in diesem Jahr weltweit ein bestürzendes Ausmaß angenommen. Nicht nur im Zusammenhang mit dem Krieg in Syrien und im Nordirak.

Vergessen werden oft die anderen großen humanitären Notlagen wie in der Zentralafrikanischen Republik oder im Südsudan. Man kann daher nur hoffen, dass mit der Flüchtlingskonferenz das organisierte Wegschauen ein Ende hat.

Wer in Deutschland nun darüber zetert, dass die Zahl der Hilfesuchenden deutlich zugenommen hat, oder wer sich als politisch Verantwortlicher nicht in der Lage sieht, für notleidende Menschen eine vernünftige Unterbringung zu organisieren, dem sei gesagt: Das, was man bereits leistet, kann niemals so dramatisch sein wie die Schicksale der Menschen, die sich auf der Flucht befinden. Dahinter verbergen sich zerstörte Familien, Ausbeutung, Missbrauch, geraubte Zukunftschancen. Lebende Albträume. Und immer sind vor allem Kinder und Jugendliche in einem besonderen Maß betroffen. Dass die Traumatisierung durch Flucht und Vertreibung über Generationen hinaus nachwirken kann, zeigen die Erfahrungen von deutschen Vertriebenen am Ende des Zweiten Weltkriegs.

Deutschland braucht sich zwar im europäischen Konzert der finanziellen Hilfen nicht verstecken. Doch die Unterstützung muss auf lange Zeit angelegt sein. Und im Innern muss eine Willkommenskultur für die Entwurzelten geschaffen werden. Eine erste humanitäre Offensive ist gelungen. Mehr noch nicht.