Meinung Tödliche Sprache

Man hat sich ja schon daran gewöhnt, bei den verbalen Schaumschlägern der Weltpolitik das Gesagte nicht gleich auf die Goldwaage zu legen. Ja, es war der Jahrestag des Putschversuchs in der Türkei. Ja, da wollen so ein Präsident und seine Gefolgsleute umso stärker wirken, je verunsicherter sie womöglich sind.

Foto: Sergej Lepke

Aber beim Abreißen von Köpfen, dem Brechen von Händen, dem Abschneiden von Zungen und dem Vernichten von Leben ist ein Grad der sprachlichen Verrohung erreicht, der keine diplomatische Toleranz mehr erwarten darf. Wer heute die Sprache der Schlächter pflegt, sieht auch in den Blutlachen von morgen kein Problem.

Deutschland wird auch weiter mit der Türkei kommunizieren müssen. Nicht nur wegen der vielen hier lebenden Menschen, deren Biografie auf vielfältige Weise mit der Türkei verbunden ist. Sondern auch, weil ganz unabhängig vom umstrittenen Abkommen mit der EU der Staat mit den weltweit meisten aufgenommenen Flüchtlingen bei der Lösungssuche nicht ausgeblendet werden darf. Aber sicher ist ein Jahr nach dem Putschversuch: Das werden endgültig keine Gespräche zwischen zwei Demokratien mehr sein.

Westdeutschland hat die Todesstrafe nach dem Zweiten Weltkrieg geächtet, und heute vor 30 Jahren zog auch die damalige DDR nach. Seither ist das Thema den Stammtischen vorbehalten. In Deutschland wie in der EU schieben das Grundgesetz, die Grundrechtecharta und die Menschenrechtskonvention jedem populistisch motivierten Ruf nach dem Henker einen Riegel vor. In der Türkei ist dieser Ruf dagegen längst Teil einer staatlichen Strategie geworden, die sich nicht länger damit zufrieden gibt, jegliche Opposition nur mundtot zu machen. Sie soll in mittelalterlichem Rachedurst physisch vernichtet werden. Deutlicher lässt sich Entfremdung zwischen Staaten nicht demonstrieren. Die Töne aus Ankara sind nicht stark, sie sind widerlich.