Meinung Lehrermangel trifft auf Schülerschwemme

Höhere Schülerzahlen sind nur dann schön, wenn es auch die Einsicht gibt, dass endlich viel mehr für bessere Lernbedingungen getan werden muss. Daran fehlt es vor allem.

Ein Kommentar von Hagen Strauss.

Zunächst einmal gilt: „Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen.“ In der Bildungspolitik hat sich dieser Satz, der gleich mehreren Berühmtheiten zugeschrieben wird, in den vergangenen Jahrzehnten ziemlich oft bewahrheitet. Beispiel Lehrer: In den vergangenen 30 Jahren haben sich Lehrerschwemme und Lehrermangel zyklisch immer wieder abgewechselt. Im Moment herrscht Lehrermangel, alle Bundesländer suchen Nachwuchskräfte oder setzen auf Quereinsteiger.

Bei den Schülerzahlen ist das nicht anders. Lange Zeit ging man von einem rapiden Rückgang aus, jetzt prophezeit die gestern vorgestellte Bertelsmann-Studie eine starke Zunahme. Ganz schwierig ist es, wenn beide Kurven gegeneinanderlaufen. Wenn Lehrermangel auf Schülerschwemme trifft. Und das passiert derzeit.

Jahrelang haben sich die Deutschen sozusagen geweigert, mehr Kinder in die Welt zu setzen, sodass in der Folge weniger Schulen benötigt wurden. Inzwischen, und das muss man durchaus lobend erwähnen, scheinen auch die politisch gesetzten Rahmenbedingungen die Trendwende herbeigeführt zu haben. Seit es das Elterngeld und eine bessere Betreuung für den Nachwuchs gibt, werden mehr Kinder geboren. Die stark gestiegene Zuwanderung tut ihr Übriges. Doch die Pädagogen fehlen.

Es wäre die Aufgabe der Kultusminister, solche Trends frühzeitig zu erkennen. Sie haben offenbar geschnarcht. Das entbindet sie aber nicht davon, jetzt schnell nachzubessern. Doch Veränderungen in der Bildungspolitik brauchen oft Zeit. Und viel Geld. Für die Ausbildung neuer Lehrer, für den Bau neuer und vor allem die Sanierung bestehender Schulen. Mit steigenden Schülerzahlen wird sich nämlich das Problem der maroden Einrichtungen noch drängender stellen, gleichzeitig steht zu befürchten, dass die Qualität der Bildung und der Ansatz, individueller zu fördern, unter die Räder kommen. Dann stellt sich zwangsläufig mit noch stärkerer Vehemenz die Frage, wie das Land bildungsgerechter und das System durchlässiger werden können.

Hier gegenzusteuern, schaffen die Länder alleine nicht. Dazu bedarf es der Hilfe des Bundes. Die wollen aber viele Länder aus föderalem Egoismus nicht, weil sie weiter auf das Kooperationsverbot pochen. Höhere Schülerzahlen sind jedoch nur dann schön, wenn es auch die Einsicht gibt, dass endlich viel mehr für bessere Lernbedingungen getan werden muss. Daran fehlt es vor allem.