Verpasste Chance Bundestag verlängert Kurzarbeitergeld

Meinung | Berlin · Vor dem Virus sind alle gleich, heißt es immer. Aber das stimmt so nicht. Denn die Coronakrise treibt die soziale Spaltung voran.

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Gerade erst kam eine Untersuchung zu dem Schluss, dass die Schere zwischen hohen und niedrigen Einkommen aktuell immer weiter auseinandergeht. Um Jobs zu erhalten und Einkommenseinbußen abzumildern, hat die Bundesregierung das Kurzarbeitergeld erhöht und die Hürden für seinen Bezug gesenkt. Und der Bundestag hat diese Maßnahmen nun sogar bis Ende 2021 verlängert. Das hilft zweifellos, Entlassungen zu vermeiden. Andere Länder kopieren deshalb bereits das deutsche Modell.

Die Kluft zwischen ärmeren und reicheren Bevölkerungsschichten wird sich durch das verbesserte Kurzarbeitergeld aber nicht verkleinern. Dazu fehlt es an der sozialen Zielgenauigkeit.Wer in Kurzarbeit ist, bekommt je nach Dauer bis zu 87 Prozent des Lohnausfalls vom Staat ersetzt. Dabei spielt es allerdings keine Rolle, ob Betroffene in gut bezahlten Industriejobs oder mäßig bis mies vergüteten Dienstleistungsberufen arbeiten.

Hinzu kommt, dass die meisten tarifgebundenen Unternehmen bei wirtschaftlichen Engpässen das Kurzarbeitergeld für ihre Mitarbeiter schon vor der Krise selbst aufgestockt haben, die allermeisten Betriebe ohne Tarifbindung dagegen nicht. Auch dieser Unterschied bleibt erhalten. Nicht wenige Beschäftigte kommen dadurch im besten Fall nahezu ohne Einkommensverluste weg, während die Bezüge für andere schon vor Corona kaum zum Leben reichten und jetzt noch geringer sind.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hat das Kurzarbeitergeld selbst als „sehr, sehr, teuer“ bezeichnet. Eine Konsequenz wäre gewesen, die finanzielle Aufstockung nach der Höhe der Einkommen zu differenzieren. Wer vergleichsweise viel hat, bekommt vom Staat prozentual weniger dazu, wer weniger verdient, mehr. Der Beschluss zur Verlängerung des Kurzarbeitergeldes hätte eine gute Gelegenheit für eine ergänzende Regelung geboten. Sie wurde vertan.