Meinung Warum die Kindergeld-Debatte aus dem Ruder läuft
Beim Kindergeld für EU-Ausländer werden gerade zwei Themen miteinander vermischt. Da ist zum einen der kriminelle Missbrauch. Nichts anderes ist es, wenn Osteuropäer sich hier nur anmelden, um mit gefälschten Papieren Geld für Kinder zu kassieren, die es gar nicht gibt oder die gar nicht hier leben.
In einigen Städten des Ruhrgebiets scheint sich das zum organisierten Geschäftszweig zu entwickeln. Hier braucht es keine anderen Gesetze, hier braucht es eine andere Praxis der Behörden. Niemand hindert die Kommunen und die Bundesagentur für Arbeit daran, die Familienkassen so auszustatten, dass sie Geburts-Register mit Rumänien und Bulgarien abgleichen können. Oder dass sie überprüfen, ob ein Kind die angegebene Schule tatsächlich besucht. Dann fliegt so ein Betrug schnell auf.
Das andere hochemotionale Thema ist das Kindergeld für Ausländer, die hier regulär arbeiten, ihre Kinder aber bei der Mutter oder Oma daheim gelassen haben. Dass die Bundesrepublik dafür genauso viel wie für deutsche Kinder bezahlt, obwohl etwa in Polen die Lebenshaltungskosten doch viel niedriger sind, empört viele. Dabei ist es nur gerecht. Denn das Kindergeld ist keine Sozial-, sondern eine Steuerleistung, es korrespondiert mit dem steuerlichen Kinderfreibetrag.
Es ist nicht einzusehen, dass ein Pole höhere Steuern für das gleiche Einkommen zahlen soll als ein Deutscher. Zu Recht hat die EU deshalb Bedenken gegen die Idee erhoben, unterschiedlich hohes Kindergeld zu zahlen — je nachdem, wo sich das Kind aufhält. Man sollte es so sehen: Der polnische Arbeiter hat an dieser Stelle einmal einen kleinen Vorteil dafür, dass er fern der Familie lebt. Den darf man ihm gönnen.
Wer will, kann diese Büchse der Pandora ja aufmachen, es kommt aber nichts Gutes dabei heraus. Soll dann auch der deutsche Rentner, der sich nach Griechenland verzogen hat, weniger Rente bekommen? Muss die Familienförderung in Bayern höher sein als im billigen Mecklenburg?
Diese ganze Diskussion ist eine Neiddebatte, die die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen gegeneinander hetzt. Und natürlich Deutsche gegen Ausländer. Solange sie sich gegenseitig die Augen auskratzen, bleiben echte soziale Ungerechtigkeiten unbeachtet. Beim Kindergeld zum Beispiel, denn die Kinder des Gutverdieners sind dem Staat mehr wert — die Freibeträge wirken sich steuerlich für sie günstiger aus.