Meinung Werbung für Diktatur — mal wieder nichts zu machen?

Der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim, Vorsitzender der Erdogan-Partei AKP und Ministerpräsident der Türkei, wird am Samstag in Oberhausen vor bis zu 10 000 Deutsch-Türken auftreten und das tun, was er laut Selbstbezichtigung zu den vordringlichsten Aufgaben seines Amtes zählt: Er wird für die Zementierung der Diktatur von Staatspräsident Erdogan werben.

Foto: Schwartz, Anna (as)

Das Referendum über das sogenannte „Präsidialsystem“ Erdogans, für das die Stimmen der rund 1,5 Millionen in Deutschland lebenden Inhaber eines türkischen Passes gewonnen werden sollen, ist nichts anderes als eine Abstimmung über die Abschaffung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, von Meinungs- und Religionsfreiheit in der einst säkularen Republik Türkei.

Und wieder sieht die deutsche Politik zu, wie mitten in Deutschland türkische Diktatur-Propaganda für einen „Putsch gegen die eigene Verfassung“ betrieben wird, wie Bundestagspräsident Norbert Lammert die Erdogan-Pläne zutreffend nennt. Statt Yildirim am Flughafen mit Handschellen zu empfangen, guckt die deutsche Justiz Löcher in Luft. Ernst genommen wird sie von Erdogan und seinen Parteigängern ohnehin nicht. Der deutsch-türkische AKP-Politiker Mustafa Yeneroglu, Vorsitzender des Menschenrechtsausschusses der türkischen Nationalversammlung, machte gestern in einer Stellungnahme zu den Durchsuchungen der Bundesanwaltschaft klar, wie Erdogans Anhänger die Sache sehen: Die „beispiellose Einschüchterungskampagne“ sei wohl erst Wochen nach Beginn der Ermittlungen anordnet worden, weil man den Türkei-Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht habe belasten wollen.

In der Tat kann man sich des Eindrucks nur schwer erwehren, dass der Grünen-Bundestagsabgeordnete Volker Beck richtig liegt, wenn er der Bundesregierung vorhält, in Sachen Spionage durch Erdogans Ditib-Prediger demonstrativ ihre Möglichkeiten nicht genutzt zu haben.

Selbstverständlich wäre es zudem die Aufgabe von Bundeskanzlerin Angela Merkel gewesen, bei ihrem Türkeibesuch Anfang des Monats der türkischen Regierung unmissverständlich klar zu machen, dass sowohl die Ditib-Spionage wie auch Yildirims privater Propaganda-Besuch vollkommen inakzeptabel sind und nicht geduldet werden. Stattdessen lässt sich Deutschland wieder einmal vorführen. Peinlich.