Blauzungenkrankheit: Ein kurzer Stich gegen die Seuche

Die Impfung der Schafe und Ziegen ist schon abgeschlossen. Jetzt sind die Rinder an der Reihe.

Rhein.-Berg. Kreis. Tierarzt Wilfried Jörgens hat den Impfstab gezückt. Ein kurzer, schräger Stich in die etwa einen Zentimeter dicke Haut am Hals der Kuh, ein heftiges Zucken, fertig. Das nächste Tier. So geht das in einem fort. Allein auf dem Hof von Bernd Hielscher ("Rusticus" ) in Witzhelden hat Jörgens an diesem Tag knapp 300 Rinder gegen die Blauzungenkrankheit zu impfen. Etwa zwei Stunden braucht er dafür. "Im Augenblick mache ich kaum etwas anderes."

60 Rinderbetriebe und 220Schaf- und Ziegenbetriebe betreuen Jörgens und seine Praxiskollegen in Flügel. Die Schafe und Ziegen sind inzwischen durch, bei den Rindern wird die erste Impfung in etwa drei Wochen abgeschossen sein.

Eine vernünftige Ursachenforschung werde nicht gemacht, kritisiert der Tierarzt. 30 bis 40 Prozent der Schafe sind im vergangenen Jahr an der Seuche verendet. Nur für die Muttertiere gab es aber eine Entschädigung. Der Tod von Lämmern und der Milchverlust waren nicht versichert. Bei den Rindern schwankten die Verluste stark: Mal waren sie groß, andere Bestände waren überhaupt nicht betroffen. "Warum ist das so?", fragt sich nicht nur Jörgens.

Für ihn ist die Blauzungenkrankheit ohnehin nur "die Spitze vom Eisberg". Die Seuche, die ursprünglich südlich der Sahara beheimatet war, wanderte über den Mittelmeerraum nach Deutschland, wo sie jetzt im dritten Jahr nachweisbar ist. Der Tierarzt erklärt sich das Phänomen mit der globalen Erwärmung: "Die Mücken infizieren sich mit Krankheiten, die wir früher hier nicht hatten."

Das zeige sich auch bei Hundekrankheiten, die längst nicht mehr nur auf Reiseaktivitäten zurückzuführen seien. "Die Dimensionen, die da noch auf uns zukommen, können wir heute noch gar nicht absehen."

Vor dem Hintergrund kann der 47-Jährige auch nicht verstehen, warum es in NRW im Gegensatz zu Rheinland-Pfalz zumindest bei Rindern Ausnahmen von der Impfpflicht gibt: Mutterkühe und Mastrinder müssen nicht geimpft werden, weil sie durch den Aufenthalt auf der Weide schon immunisiert seien.

Viele Bauern lassen die Impfung dennoch freiwillig vornehmen. Zu gravierend waren für viele die zum Teil existenzbedrohenden Erfahrungen des vergangenen Jahres. Jörgens’ Hoffnung: "Wenn alle Tiere geimpft sind, kann die Mücke beim Stechen kein Virus mehr aufnehmen und übertragen."

Nach Aussage von Dorothee Helferich, Tierärztin beim Kreisveterinäramt, gibt es bisher kreisweit keine Probleme mit der Verträglichkeit: "Die Impfung verläuft gut." Das gelte vor allem für die Schafe. Bei Rindern seien bisher fünf Verkalbungen (Fehlgeburten) gemeldet. Ein Zusammenhang mit der Impfung sei aber noch ungeklärt.