Einsamer Tanz im Garten mit der spanischen Fahne

Die Spanier in Deutschland waren mit ihrer Freude allein – die Deutschen in Spanien mit ihrem Frust auch.

Burscheid. Es war ein einsamer Moment des Triumphs: Nach dem Schlusspfiff des Europameisterschaftsfinales läuft Andrea Arce mit der spanischen Fahne in ihren Schlebuscher Garten, tanzt vor Freude und ruft immer wieder: "Campeones, Campeones". Doch ihre Ausgelassenheit muss sie alleine genießen. "Es hat niemand geguckt."

Die 40-jährige Spanierin aus Saragossa arbeitet seit 2004 in der Burscheider Europazentrale von Johnson Controls - wie ihr Kollege und Landsmann Francisco Acedo Dominique (34). Der "moderne Europäer", wie er sich schmunzelnd nennt, ist in Deutschland geboren, hat einen spanischen Vater und eine französische Mutter, beide Pässe und trägt am Tag nach dem Sieg das spanische Fußballtrikot über dem gestreiften Businesshemd.

Einen Moment habe er am Morgen überlegt, ob er das Trikot überstreifen solle. "Aber das letzte Mal gab es die Gelegenheit vor 44 Jahren. Wer weiß, wann es wieder so weit sein wird." Ein Spießrutenlauf wurde der Gang ins Büro nicht: "Die deutschen Kollegen sind alle faire Verlierer. Es gibt keine bösen Worte."

Am Finalabend war allein seine deutsche Freundin in der gemeinsamen Kölner Wohnung Zeugin seiner Jubelschreie geworden. Die kollektive Begeisterung in der fernen Heimat gelangte nur per Handy ins deutsche Wohnzimmer. "Die Leitungen haben geglüht", berichtet auch Andrea Arce lachend von den zahllosen Anrufen der gesamten Verwandtschaft.

Und was ihnen da an spanischer Ausgelassenheit an die Ohren drang, erfüllt Acedo Dominique auch am Tag danach noch mit Neid. "Am liebsten würde ich jetzt nach Madrid fliegen und mitfeiern."

Der eine verpasst den Trubel und sehnt sich danach; der andere steckt mittendrin und will gar nicht so recht mitfeiern. Wolfgang Brost, ehemaliger Fraktionsvorsitzender der Burscheider SPD, weilt zurzeit mit seiner spanischen Ehefrau Mariza in Cullera, 30Kilometer südlich von Valencia.

"Wir haben das Finale mit der Familie und Nachbarn geguckt und ich hatte einen schweren Stand", erzählt er am Telefon. "Alle haben gesagt, die Deutschen haben nicht die Spur einer Chance, aber ich war mir sicher, dass sich am Ende die deutsche Stärke und Taktik durchsetzt."

Doch nach dem starken Beginn der Deutschen beschlich Brost im weiteren Spielverlauf immer mehr der Eindruck: "Die sind gar nicht auf dem Platz." Und mit zunehmender Dauer wuchs auch die Unzufriedenheit mit Bundestrainer Joachim Löw, der sich vor harten Auswechselungen gedrückt habe: "Löw ist ein guter zweiter Mann, aber kein erster", glaubt der frühere Kommualpolitiker.

Später am Abend drückte ein Nachbarskind Brost zu allem Überfluss gar die spanische Fahne in die Hand "und ich musste sie vom Balkon schwenken". Dabei steckte die Enttäuschung über die deutsche Elf noch tief: "Ich habe gedacht, die versauen mir den ganzen Urlaub."

So weit ist es dann doch nicht gekommen. Am nächsten Morgen war Brost schon wieder über den Berg. Es lockten der Strand "und meine gut gelungene Paella".