Familiäre Atmosphäre und ein Lehrerbild wider die Moderne

Waldorfschule: Knapp 40 Burscheider Schüler und ihre Eltern vertrauen einer Pädagogik, die auf der anthroposophischen Menschenkunde fußt.

Burscheid/Remscheid. Tag für Tag pendeln etwa 700 Burscheider Schüler über die Stadtgrenze hinweg, der ganz überwiegende Teil von ihnen nach Leverkusen. Doch über 80 zieht es auch in die andere Richtung: Gut die Hälfte bleibt in Wermelskirchen hängen, aber 36 sind erst in Bergisch Born am Ziel - an der Rudolf-Steiner-Schule.

In der Bandbreite der Möglichkeiten stuft der 54-Jährige die Remscheider Waldorfschule folgerichtig als "sehr liberal" ein: Fußballspielen? Kein Problem. Rockmusik? Kapolke ist selbst Bassist der legendären und gerade wiederbelebten deutschen Rockformation Grobschnitt. Auch der Anthroposophie, jener Weltanschauung des österreichischen Philosophen und Esoterikers Rudolf Steiner (1861-1925), müssen sich die Lehrer nicht mit Haut und Haar verschrieben haben.

Ein Konzept, das trotzdem oder vielleicht gerade deshalb ungebrochen populär ist. Die Anmeldungen überschreiten die Zahl der jährlich freien 36 Plätze meist um das Doppelte. Dennoch wollen die Remscheider einzügig, damit klein und übersichtlich bleiben. "Sonst würde die familiäre Atmosphäre entfallen", ist Kapolke überzeugt. Und Familie muss die Schule schon allein deshalb sein, weil Sozialkontakte zwischen den Schülern jenseits des Schullebens wegen des großen Einzugsgebietes mitunter schwierig sind.

Um den Erfolg ihrer Pädagogik zu belegen, verweisen Waldorfschulen gerne auf die hohe Zahl an Abiturienten unter den Abgängern. Das ist freilich nur die eine Hälfte der Wahrheit. Die andere: Es sind überwiegend die Vertreter der gehobenen Mittelschicht, die Akademiker, die sich angezogen fühlen, "Menschen, die sich viele Gedanken um die Erziehung ihrer Kinder machen", so Kapolke.

Nicht von ungefähr ist beispielsweise Bellinghausen eine Art Burscheider Waldorf-Keimzelle. Und im Vorstand des Fördervereins findet sich unter anderem auch Federal-Mogul-Manager Michael Hedderich. Der Ausländeranteil und damit schon allein manche sprachlichen Probleme gehen gegen null - auch wenn die Schule das nicht auf eigene Abschottung, sondern auf Desinteresse bei den Eltern zurückführt.

Derzeit befindet sich die Ersatzschule im Umbruch. Das Zentralabitur zwingt auch hier mit einjähriger Verzögerung zur Anpassung. Künftig endet die gemeinsame Schulzeit aller nicht nach der 12., sondern schon nach der 11. Klasse - dann mit Fachoberschulreife oder Hauptschulabschluss. Wer weitermacht, hat damit künftig zwei Jahre Zeit, sich auf die zentralen Abiturprüfungen vorzubereiten - damit die Erfolgsbilanz erhalten bleibt.