Frieda & Richard: Requiem für Prillan und den Bummel-Heini
Ein Amselpärchen und seine Brut
Bummel-Heini nennen wir unseren Sohn gelegentlich, wenn er eben — bummelt. Bummel-Heini heißt zudem eine Fantasiefigur, von der meine Frau ab und an Kindergeschichten erzählt. Bummel-Heini hätte auch das Nesthäkchen geheißen, wenn es denn geschlüpft wäre. Aber es hat den Zug ins Leben verpasst.
Der Verdacht, dass aus dem fünften Amsel-Ei wohl nichts mehr werden wird, hatte uns schon länger beschlichen. Vorübergehenden Trost spendete die Aussage eines Vogelexperten des Versuchsguts Ophoven. Er sprach zwar auch von täglich sinkenden Chancen. Es sei aber denkbar, dass der Nachzügler noch bis zu fünf Tage nach dem letzten geschlüpften Jungen kommen könne.
Das wäre Sonntag gewesen. Doch vom Bummel-Heini keine Spur. Vielleicht befindet sich das Ei auch schon längst nicht mehr im Nest. Wir haben es jedenfalls nicht mehr entdeckt.
Und an diesem Sonntagmorgen, eine Woche nach Fips’ Geburt, sollte es noch schlimmer kommen. Beim routinemäßigen Durchzählen der Brut bin ich nur bis drei gekommen. Erst habe ich gedacht, ein Schnabel sei in dem Nestgedränge irgendwo verborgen. Aber dann hat meine Frau unten im Beet einen abgestürzten, blutigen Nestling gefunden. Er war nicht mehr zu retten. Ende eines kurzen Amsellebens.
Nun ist die Erkenntnis, dass Leben grundsätzlich eine gefährliche Angelegenheit ist, ja nicht wirklich neu. Und es handelt sich auch landesweit gewiss nicht um das erste Junge, das aus einem Nest fällt. Aber abstraktes Wissen und konkretes Erleben sind eben zwei Welten. Die Sonntagmorgenstimmung war jedenfalls dahin.
Unser Sohn hat sich in einem schmerzlichen Auswahlprozess dafür entschieden, den Namen Prillan zu streichen. Sie ist jetzt an der Absturzstelle begraben. Bleiben also Fips, Pipina und Mäxchen. Und in unserem Garten trennen seit Sonntag gerade vier Meter Fallhöhe einen Ort der Freude von einem Ort der Trauer. Alle Teile der Kolumne im Netz: bergischer-volksbote.de