Gegen die Macht der Gewohnheit

Professor Ebach verteidigt klug die Leitlinien der Bibel in gerechter Sprache.

Burscheid. Es gibt jene erlösenden Momente, in denen es gelingt, einen Streitfall aus den Niederungen der kenntnisfreien Polemik zu befreien, um so wieder einer ernsthaften Auseinandersetzung Raum zu geben.

Die gut 40 Besucher der Abschlussveranstaltung der Burscheider Büchertage wurden am Donnerstagabend Zeugen eines solchen Moments: Jürgen Ebach, Bochumer Alttestamentler und Mitherausgeber der Bibel in gerechter Sprache, vertrat das Anliegen dieser modernen Übersetzung geistreich, witzig und mit einer ganz eigenen Art herzblutgetränkter akademischer Sachlichkeit.

Objektivität nahm er dabei gar nicht erst für sich in Anspruch. Wie sollte er auch - "angesichts einer zum Teil maßlosen, ungerechten, hämischen und ehrverletztenden Kritik", die das Projekt seit der Veröffentlichung vor zwei Jahren getroffen hat.

Ebach lag vielmehr daran, die schon im Titel der Bibel in gerechter Sprache angelegten Missverständnisse zu klären und so der Unsachlichkeit nachhaltig den Boden zu entziehen.

Die Frage nach der richtigen Übersetzung sei von vornherein falsch gestellt: "Die richtige Übersetzung gibt es nicht." Dem steht gerade die protestantische Macht der Gewohnheit gegenüber - eine Haltung, als habe Luther die Bibel nicht nur übersetzt, sondern auch gleich geschrieben. "Das hat dann nicht selten die Folge, dass eine Übersetzung, die von Luther abweicht, als eine Fälschung der Bibel erscheint."

52 Frauen und Männer, in der Mehrzahl Protestanten und allesamt Bibelwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler, haben an der Übersetzung mitgewirkt. Ihnen sei es keineswegs darum gegangen, andere Übersetzungen als ungerecht zu bezeichnen, sondern gerechte Sprache als das entscheidende Kriterium der eigenen Arbeit zu betonen.

"Der Titel meint nicht, dass wir die Bibel gerechter machen wollen, als sie ist. Er meint, dass wir in der Übersetzung die Gerechtigkeit der Bibel sichtbar machen wollen - nicht mehr und nicht weniger."

Für Ebach heißt das: Die Bibel in gerechter Sprache will den Urtexten gerecht werden, eine frauengerechte Sprache finden, dem jüdisch-christlichen Dialog Respekt erweisen und gegenwärtig verstehbar sein. Das heißt auch: Die Übersetzung ist nicht abgeschlossen, sondern ein dauerhafter Prozess: "Biblische Gerechtigkeit ist niemals ein Zustand, sondern immer ein Weg."

Die Kriterien der Übersetzung gelten auch in der Rede von Gott. "Gott ist in der Bibel kein Mann und die Vorstellung der Männlichkeit Gottes ist ein Verstoß gegen das Bilderverbot in den Zehn Geboten", sagt der 63-Jährige.

Die Vertragspassagen für den Fall, dass mehr als 10.000 Exemplare verkauft werden sollten, haben die Herausgeber alle nicht gelesen. Inzwischen sind über 6.5000 Bibeln in gerechter Sprache verkauft worden. "Vielleicht könnten sich die zustimmenden und kritischen Stimmen zunächst darin einigen, dass eine solche Aufmerksamkeit für die Bibel etwas Gutes ist."