Hochschule Zauberhaftes auf Schloss Wahn

Köln · Wer Schloss Wahn betritt, erlebt direkt den Zauber der Bühne. Im Treppenhaus stehen zwei große hölzerne Skulpturen, die am Kamin Figuren aus der „Comedia dell’arte“ darstellen. „Diese wurden von Carl Niessen, dem Gründer unserer Theaterwissenschaftlichen Sammlung, in den 1920er Jahren erworben.

In der Eingangshalle begrüßen zwei alte Holzfiguren aus der „Comedia dell‘arte“ die Besucher.

Foto: step/Eppinger

Die Figuren aus der Barock- oder der Rokokozeit stammen von einem Schloss in den Niederlanden2, berichtet der Leiter der grafischen Sammlung, Gerald Köhler.

Seit 1955 befindet sich die Theaterwissenschaftliche Sammlung der Kölner Universität in dem alten Schloss im Stadtteil Wahn. In seiner heutigen, spätbarocken Form ist dieses Mitte des 18. Jahrhunderts erbaut worden und befindet sich seit 1820 im Besitz der Freiherren von Eltz-Rübenach. Die Sammlung selbst wurde vom ersten Professor für Theaterwissenschaft an der Kölner Uni, Carl Niessen angelegt.

Eine Sammlung für die
Forschung und für die Lehre

Seine privat begründete Institutssammlung von historischen aktuellen Theatralia sollte seinen Studenten als Anschauungs- und Forschungsmaterial dienen. „Er war davon überzeugt, dass man die Geschichte des Theaters nur anhand von Artefakten und Objekten unterrichten kann, die über den reinen Text hinausgehen“, sagt die stellvertretende Direktorin der Sammlung, Dr. Stefanie Mathilde Frank. Wichtig war Niessen aber auch die Verbindung von Wissenschaft und Öffentlichkeit, weshalb er in Köln ein Theatermuseum anstrebte. Realisiert wurde dieses in einem Gebäude am Salierring in der Innenstadt. Nach einem Brand 1942 musste die im Haus präsentierte Sammlung zunächst ausgelagert werden.

Ihren neuen Platz fand sie Mitte der 50er Jahre im Schloss Wahn, das bereits 1947 von der Kölner Uni gepachtet wurde. Zunächst nur als Provisorium gedacht, fiel 1980 die Entscheidung, die Sammlung nach einer Sanierung dauerhaft im Schloss zu belassen, das heute mit seinem Gartensaal auch für Trauungen genutzt wird. Dagegen wurde der frühere Museumsgedanke nach Kriegsende nicht mehr realisiert. So ist die Sammlung nur noch am Tag der offenen Tür öffentlich zugänglich, der 2025 wieder im Herbst stattfinden wird.

Die Theaterwissenschaftliche Sammlung ist die größte ihrer Art in Deutschland und ein der größten weltweit. Genutzt wird diese heute von Studenten genauso wie von nationalen und internationalen Forschenden. Oft finden im Schloss auch Seminare für die Studierenden der Theaterwissenschaften und von verwandten Fakultäten sowie weitere wissenschaftliche Veranstaltungen statt.

Wissenschaftlich genutzt werden kann auch der Lesesaal der eigenen Bibliothek, die mehr als 100.000 Bände umfasst, die sich vornehmlich mit dem deutschsprachigen Theater vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart auseinandersetzen. In der Bibliothek können vor Ort auch die Bestände des großen Archivs eingesehen werden.

Im Schloss befindet sich so zum Beispiel die grafische Sammlung unter anderem mit Entwürfen von Bühnenbildern, Plakaten oder auch technischen Zeichnungen sowie 3D-Modellen von Bühnenbildern. Insgesamt 22.000 Inszenierungsmappen werden in den Archivräumen aufbewahrt. Dazu kommt eine Vielzahl von Theaterkritiken, Programmheften und Fotos, die verraten, wie es auf der Bühne wirklich aussah. „Diese Verschränkung ist für uns hier sehr wichtig, um zum Beispiel ein Bühnenmodell richtig verorten zu können“, sagt Köhler.

„Neben dem Grundstock unserer Sammlung, der durch Carl Niessen angelegt wurde, konnten wir unseren Bestand durch Schenkungen und Nachlässe stetig erweitern”, erklärt Frank. Dazu gehören Konvolute, persönliche Archive und Nachlässe vom Schauspieler und Comedian Dirk Bach, von der kölschen Theaterlegende Willy Millowitsch, vom früheren Intendanten der Kölner Oper Michael Hampe, von der Schauspielerin Ruth Niehaus, vom in Remscheid geborenen Bühnenbildner und Maler Teo Otto sowie vom bayerischen Komiker Karl Valentin.

Zu finden sind in Wahn auch Figuren von Schattenspielen aus verschiedenen Ländern und Kulturen sowie Marionetten, Stock- und Handpuppen. Hier dürfen natürlich auch Vertreter aus dem Hänneschen nicht fehlen. Darunter ist mit einem Teufel eine der ätesten Puppen, die Anfang des 19. Jahrhunderts gefertigt wurde.

Zu den Highlights gehört die Sammlung des Filmregisseurs Werner Nekes, welche nichts Geringeres als die Geschichte des Sehens und des visuellen Geschichtenerzählens zum Thema hat. Diese reicht von seiner Bibliothek sowie seinen Grafiken und Fotos bis zu optischen Spielzeugen und Apparaten sowie wissenschaftlichen Messgeräten. Einige der Objekte waren bereits bei zwei vom Direktor der Sammlung, Prof. Peter W. Marx, und seiner Stellvertreterin kuratierten Sonderausstellungen im Wallraf zu sehen. Angekauft wurde die komplette Sammlung zusammen mit dem Deutschen Filminstitut & Filmmuseum in Frankfurt sowie dem Filmmuseum Potsdam.

Ein weiterer Glanzpunkt in den Räumen des Schlosses ist die Sammlung Huber, die in diesem Sommer als Schenkung an die Kölner Uni gegangen ist. Über 60 Jahre trug der Galerist und Verleger Volker Huber mit Unterstützung seiner Ehefrau Christina seine Sammlerstücke zur Bühnenzauberkunst zusammen. Bücher und Grafiken zählen genauso dazu wie Ankündigungszettel, Plakate, Fotografien, Manuskripte und Gemälde.

Sehenswert sind die Automaten und Uhren mit Motiven aus der Zauberwelt. Ein Apparat präsentiert zum Beispiel die „Beerdigung und Auferstehung des Kanarienvogels“ vom italienischen Zauberkünstler Bartolomeo Bosco aus dem Jahr 1840. Bei den magischen Uhren ist ein Exemplar des berühmten Zauberkünstlers und Uhrmachers Jean Eugène Robert-Houdin zu finden, das einen Becherspieler zeigt. „Becherspieler dürfen aber nicht mit den Hüttchenspielern verwechselt werden, die Menschen betrügen. Hier ging es nur um die Faszination der Illusion“, erklärt Frank.

Ein bekannter Trick von Robert-Houdin, der zugleich blühende und Früchte tragende Orangenbaum, aus dem zwei Vögel mit einem weißen Tuch aufsteigen, ist ebenfalls Teil der umfangreichen Sammlung. Viele der Zaubertricks inklusive ihrer Utensilien finden sich in maßgefertigten großen Schränken oder in genau für ihren Inhalt angefertigten Kassetten.