Der Weg zum 1999 eröffneten Deutschen Sport- und Olympiamuseum in Köln war lang.
Interview „Ein Familien- und Erlebnismuseum“
Köln · Zur Eröffnung am 25. November 1999 landete Turnerlegende Eberhard Gienger mit dem Fallschirm auf dem Dach der alten Zollhalle im Kölner Rheinauhafen, wo seit 25 Jahren das Deutsche Sport- und Olympiamuseum seine Heimat gefunden hat.
Mehr als 100.000 Besucher sind jedes Jahr in dem Haus zu Gast, wo in der Dauerausstellung 2000 Objekte vom Michael Schumacher Formel-1-Wagen bis zum zertrümmerten Tennisschläger von Boris Becker höchst anschaulich die Geschichte des Sports erzählen. Wir haben mit dem Museumsdirektor Dr. Andreas Höfer über das Jubiläum seines Hauses gesprochen.
Dr. Andreas Höfer: Das ist richtig. Die Idee geht letztlich auf das Jahr 1972 und die Olympischen Spiele von München zurück. 36 Jahre nach den „Spielen unterm Hakenkreuz“ in Berlin, sollten die Münchner Spiele gleichsam im zweiten Anlauf als Visitenkarte eines neuen, friedlichen und weltoffenen Deutschlands dienen. In diesem Sinne wollte deren Spiritus Rector Willi Daume ein „Gesamtkunstwerk“ in Szene setzen, dessen Wirkung weit über die olympischen Tage von München hinausreichen sollte. In diesem Kontext nahm die Idee eines nationalen Sportmuseums langsam Gestalt an und ein entsprechender Prozess wurde in Gang gesetzt. Ein Meilenstein war die 1982 erfolgte Gründung eines Vereins, der sich die Planung und die Realisierung des Vorhabens zur Aufgabe machte. Eine zentrale Voraussetzung war die Gewährleistung der Finanzierung. Als man die Stadt Köln, das Land NRW und den Bund für eine gemeinsame Anstrengung gewonnen hatte, konnte es losgehen.
Wie kam es dazu, dass das Museum in Köln angesiedelt wurde?
Höfer: Der Standort Köln stand schon bald fest. Zunächst war geplant, das Museum in Müngersdorf im Umfeld des Sportparks anzusiedeln und es so auch an die Deutsche Sporthochschule anzubinden. Zum Glück, darf man sagen, ist es anders gekommen. Als tatsächlicher Standort wurde eine alte Zollhalle im Rheinauhafen auserwählt, ein denkmalgeschütztes charmantes Gebäude von 1896, dem Jahr der ersten Olympischen Spiele der Neuzeit in Athen. Eben dort, nicht in Athen, sondern im Rheinauhafen, wurde unser wunderbares Museum am 25. November 1999 feierlich eröffnet.
Wie hat sich das Museum in den vergangenen 25 Jahren entwickelt?
Höfer: Das Haus hat sich schnell als Aktivposten in der sportlichen und kulturellen Landschaft der Stadt und des Landes etabliert. Jährlich begrüßen wir mehr als 100.000 Besuchende. Es war und ist ein echtes Familien- und Erlebnismuseum. So kann man bei uns viel lernen über die Geschichte, Ausprägungen und Entwicklungen sowie über die Risiken und Nebenwirkungen des Sports, aber man kann die Faszination der Bewegung auch „am eigenen Leib“ erfahren. Dazu stehen attraktive Aktivstationen bereit. So darf man bei uns Hanteln stemmen oder auf dem Fahrrad im Gegenwind radeln, sich am Boxsack austoben oder seine Gelenkigkeit testen. Sehr gut angenommen werden auch die beiden Sportplätze, die höchsten und schönsten Kölns, auf dem Dach des Hauses, wo auch schon einmal Robbie Williams aufgetreten ist. Im Übrigen hat sich die Welt, auch die des Sports, in den vergangenen 25 Jahren signifikant verändert. So versteht sich, dass sich auch unser Haus verändert und stetig weiterentwickelt hat. Dies betrifft insbesondere, aber nicht nur, unsere Dauerausstellung. Aber natürlich ist es, nach 25 erfolgreichen Jahren, eine Herausforderung, das Museum fit für die Zukunft zu machen. Eben daran arbeiten wir mit sportlicher Motivation und Ambition.
Wie sieht die Zukunft Ihres Museums aus?
Höfer: Wir sind dabei, einen umfänglichen Um- und Ausbau des Hauses auf den Weg zu bringen. Das erfordert einen intensiven und professionellen Planungsprozess. Dreh- und Angelpunkt dabei ist eine komplette Neugestaltung und Erweiterung unserer Dauerausstellung. Dabei wollen wir unseren Besuchenden verschiedene Rundgänge und damit unterschiedliche Perspektiven anbieten. Zudem möchten wir uns zukünftig weniger von der Chronologie als von thematischen Schwerpunkten leiten lassen. Weiterhin streben wir eine energetische Sanierung des denkmalgeschützten Hauses an. Auch wollen wir mehr Raum gewinnen für unsere museumspädagogischen Angebote und die Vielzahl der Veranstaltungen, die wir durchführen oder in unserem Haus beherbergen.
Welche Rolle spielt das Objekt und die damit verbundene Person im Museum?
Höfer: Auch wenn der technische Fortschritt immer vielfältigere Präsentationsmöglichkeiten bietet, werden auch in Zukunft Exponate eine zentrale Rolle im musealen Kontext spielen. Vor allem solche, die auf authentische Weise eine Geschichte erzählen. Um ein Beispiel zu nennen: Wir zeigen unseren Besuchenden ein Paar leuchtend rote Boxhandschuhe von Muhammad Ali, die an sich schon vielfältige Assoziationen an den wohl größten Boxer aller Zeiten wecken. Das Besondere unseres Exponates aber ist es, dass die Handschuhe eine handgeschriebene Widmung für den legendären Reporter Kurt Brumme, den langjährigen Sportchef des WDR aufweisen. Dieser hat seinerzeit die großen Kämpfe Alis, etwa gegen Joe Frazier oder George Foreman, fürs Radio übertragen und ist Ali mehrfach persönlich begegnet. Offenbar schätzte Ali den deutschen Reporter, für den er notierte: „For the Voice of Germany“. Somit verweisen die Handschuhe auch auf die Geschichte des deutschen Sportjournalismus‘. Ein nicht unbedeutender Aspekt unseres musealen Auftrags ist es, Objekte zu sammeln, die eine Relevanz für den Sport haben und die es zu bewahren lohnt. So hat sich im Laufe der Zeit eine bemerkenswerte Sammlung entwickelt, die naturgemäß nur zu einem kleinen Teil in unserer Dauerausstellung oder temporären Präsentationen vor Augen geführt werden kann. 25 ausgewählte Objekte aus dem Depot zeigen wir in unserer aktuellen Sonderausstellung aus Anlass unseres 25. Geburtstages.
Haben Sie als Direktor des Museums ein Lieblingsobjekt?
Höfer: Tatsächlich habe ich ein besonderes Faible für ein Ausstellungsobjekt, mit dem ich auch persönliche Erinnerungen verbinde. Es ist ein wunderbares Objekt des antiken Olympia, dem Austragungsort der Olympischen Spiele der Antike, das Carl Diem, dem Gründungsrektor der Deutschen Sporthochschule Köln, einst zu seinem 80. Geburtstag geschenkt wurde. Es stand jahrelang im Foyer der Hochschule, wo ich es als Student und in meinem früheren beruflichen Leben mindestens fünfmal die Woche im Vorbeigehen bewundert habe. Vor dessen Eröffnung wurde das Modell dem Museum übereignet, wo es in den Boden eingelassen wurde und unter Glas präsentiert wird. Es ist ein wunderbares Bild, wenn sich Besuchergruppen um das Modell versammeln, um von einem unserer Guides in eine längst vergangene Welt des Sports entführt zu werden. Eine Welt, die so ganz anders war als unsere, in der aber im Kern eine ganz ähnliche Faszination für Bewegung und Wettkampf zum Tragen kam.
Das Jahr 2024 war für den deutschen Sport eine besondere Zeit.
Höfer: Tatsächlich blicken wir auf ein exponiertes Sportjahr und schon von daher auch auf ein besonderes Museumsjahr zurück. Zu Beginn desselben fungierte unser Haus als Fan-Zone der Host-City Köln bei der Handball-Europameisterschaft. Im Vorfeld der Fußball-EM haben wir in Verbindung mit der Stadt Köln ein sehr ambitioniertes fünfwöchiges Kulturprogramm unter dem Label „Stadion der Träume“ realisiert mit einer Vielzahl von Themen, Formaten und prominenten Gästen, wie Toni Schumacher, Pierre Littbarski, Klaus Fischer oder Bernhard Dietz, um nur einige zu nennen. Dann haben wir auf vielfältige Weise die Olympischen und Paralympischen Spiele von Paris begleitet. Und nicht zuletzt haben wir mit den Freunden und Fördern unseres Hauses Geburtstag gefeiert und auf die nächsten 25 Jahre angestoßen.
Dazu gehört auch eine eigene Sonderausstellung.
Höfer: Aus Anlass unseres 25. Geburtstags präsentieren wir bis Ende Februar 25 spektakuläre Objekte aus unserer Sammlung, die 25 ganz unterschiedliche und stets spannende Sport-Geschichten erzählen. Wir zeigen etwa eine Statue des griechischen Halbgottes Herakles, zu dessen legendären Taten auch die Gründung der Olympischen Spiele zählt. Oder ein Handtuch, das vom NOK der DDR in Auftrag gegeben und mit einem Verweis auf die Spiele von 1984 in Los Angeles versehen wurde, welche dann aber von der DDR boykottiert wurden. Oder ein Feuerwehrhelm, ein signiertes Familienfoto, die im Rollstuhl sitzende „Becky“, eine Puppe aus der Barbie-Familie, eine Pistole oder ein BMX-Fahrrad. Diese und die anderen Exponate verweisen auf „25 Short Sport Storys“, die in einer wunderbaren Publikation zur Ausstellung von ausgewiesenen Autorinnen und Autoren erzählt werden. So schreibt etwa Box-Weltmeister und Olympiasieger Torsten May über eine persönliche Begegnung mit seinem großen Vorbild Muhammad Ali und der großartige Torwart der deutschen Hockey-Mannschaft, Jean-Paul Danneberg, schildert den Gewinn der Silber-Medaille, die wir natürlich auch in der Ausstellung präsentieren, aus seiner ganz eigenen Perspektive. Warum und wie er nach Silber doch noch Gold gewann, ist ebenso spannend zu lesen, wie die übrigen Geschichten. Der Band ist, zum Beispiel als Weihnachtsgeschenk, im Buchhandel zu erwerben und darf allen Sportinteressierten wärmstens empfohlen werden.