Stadtbahnen Fahrgäste entscheiden mit, wie die neuen Stadtbahnen aussehen sollen

Köln · Die Entwicklung der neuen Generation von Niederflur-Stadtbahnen (NF12/NF6) für die Kölner Verkehrsbetriebe (KVB) geht in eine neue, entscheidende Phase. Im Straßenbahnmuseum Thielenbruch wurde ein etwa zehn Meter langes und rund 8,5 Tonnen schweres so genanntes Design-Mockup aufgestellt, ein 1:1-Modell des gesamten vorderen Bereichs eines Stadtbahnwagens bis hinter den ersten Türbereich.

Dieses Modell des gesamten vorderen Bereichs eines Stadtbahnwagens wurde im Straßenbahnmuseum Thielenbruch aufgestellt.

Foto: Christoph Seelbach/KVB

Dieses Modell stellt den aktuellen Stand der Konstruktion nach den bisherigen Abstimmungen der KVB mit dem Hersteller Alstom dar. „Wir können uns anhand dieses Mockups jetzt einen realen Eindruck verschaffen, wie der Wagen aussieht, wie die Platzverhältnisse sind, ob die bisher vereinbarten Änderungen umgesetzt sind“, sagt der stellvertretende Projektleiter, Hans Bauer. An diesem Modell finden jetzt weitere Abstimmungen mit den Behindertenverbänden, der Berufsgenossenschaft, dem Betriebsärztlichen Dienst, mit Fahrpersonal, Betriebsrat, Werkstattmitarbeitern und Designverantwortlichen statt. Und auch die Bürger sollen sich einen Eindruck von dem neuen Stadtbahn-Fahrzeug machen können. „Wegen dieser Abstimmungen und Erkenntnisse werden dann alle Zeichnungen und Unterlagen für die Produktion vorbereitet“, sagt Bauer. Es ist das erste Mal, dass die KVB diesen Weg bei der Entwicklung eines Stadtbahnfahrzeugs geht.

„Wir befinden uns in der größten Ersatzbeschaffung der KVB-Geschichte im Niederflur- und Hochflur-Stadtbahnbereich. Daher ist für uns eine hohe Akzeptanz der neuen Fahrzeuge von enormer Bedeutung. Denn nur dann können wir zur Attraktivierung des öffentlichen Nahverkehrs beitragen und damit die notwendige Verkehrswende vorantreiben. Ich freue mich, dass wir aufgrund der technischen Entwicklungen ein Format schaffen konnten, bei dem sowohl Kollegen als auch Fahrgäste in den Herstellungsprozess einbezogen werden“, sagt KVB-Vorstandsvorsitzende Stefanie Haaks. Alle Interessierten haben am Samstag und Sonntag von 11 bis 17 Uhr die Möglichkeit, sich das Stadtbahn-Modell im Museum Thielenbruch anzusehen.

Der Auftrag für die neue Generation von Niederflur-Bahnen war im November 2020 an das Konsortium Alstom Transport Deutschland GmbH und Kiepe Electric GmbHvergeben worden. Die Unternehmen, die nach einem europaweiten Ausschreibungsverfahren den Zuschlag erhalten hatten, liefern 62 moderne durchgängige Niederflurfahrzeuge (60-Meter-Langzüge) sowie zwei rund 30 Meter lange Niederflurfahrzeuge.

Ersatz für 124 Fahrzeuge
der Baureihe K4000

Die Langzüge sollen 124 Fahrzeuge der Baureihe K4000 ersetzen, die bereits heute ihre Nutzungsgrenze erreicht haben. Nach der Ertüchtigung der Ost-West-Achse sollen auf den Linien 1 und perspektivisch auch auf der Linie 9 rund 90 Meter lange Zugverbände fahren. Diese setzen sich jeweils aus einem Lang- und einem Kurzzug zusammen. Auf diese Weise kann die Kapazität auf diesenLinien um bis zu 50 Prozent erhöht werden. Diese Erweiterung ist laut KVB dringend erforderlich, um dem steigenden Fahrgastaufkommen Rechnung zu tragen.

Das Investitionsvolumen für die Beschaffung der neuen Fahrzeuge liegt bei rund 363 Millionen Euro. Weiterhin umfasst der Auftrag Optionen für den Kauf von bis zu weiteren elf Lang- und 25 Kurzzügen, die für die verschiedenen Ausbauprojekte im KVB-Streckennetz nach dem ÖPNV-Bedarfsplan benötigt werden. An Fördermitteln stehen für dieses Projekt bis 2031 insgesamt rund 80 Millionen Euro zur Verfügung. Die von der KVB zu tragenden Investitionen sollen über Gesellschafterdarlehen der Stadt finanziert werden. Die Vorserie bestehend aus jeweils zwei Lang- und Kurzzügen soll Juli bis Oktober 2024 geliefert und für rund ein Jahr erprobt werden. Die Lieferung der Serienfahrzeuge beginnt dann ab Juli 2025.

Bereits im vergangenen Jahr waren in Thielenbruch so genannte Ergonomie-Mockups aufgestellt worden: jeweils ein 1:1-Anschauungsmodell einer Fahrerkabine und eines Mehrzweckbereichs, dessen Gestaltung vor allem für Menschen mit Einschränkungen von Bedeutung ist. Vertreter von Behindertenverbänden und mobilitätseingeschränkte KVB-Mitarbeiter konnten anhand dieses Nachbaus testen, ob die bisherigen Entwicklungen für sie hilfreich und nutzbar sind sowie Verbesserungsvorschläge machen. Dabei geht es beispielsweise um die Anordnung von Haltegriffen und -stangen oder Anforderungsknöpfen und Ähnliches.

Anhand von Farbmustern konnten Kontraste im Fahrzeug veranschaulicht werden. Darüber hinaus konnte man sich mit einer VR-Brille virtuell durch das komplette Fahrzeug bewegen. Fahrer der KVB konnten den Fahrerstand begutachten und ihre Anregungen und Wünsche äußern. „Aus diesen Anregungen und Erkenntnissen resultierten für das Design-Mockup bereits Änderungen etwa bei der Anordnung der Haltestangen, der Gestaltung des Mehrzweckbereiches, der Monitor-Position im Fahrerstand oder der Erreichbarkeit der Bedienelemente“, erzählt Bauer.

Zusätzliche Türen, Klimaanlagen und Kollisionswarnsystem

Die neuen Bahnen werden sich mit ihrer modernen und innovativen Ausgestaltung deutlich von den Bestandsfahrzeugen der KVB abheben: Im Vergleich zum heutigen Fahrzeugkonzept (zwei Kurzzüge werden miteinander zu einer Doppeltraktion gekuppelt) besteht die neue Fahrzeugserie aus durchgängigen Langfahrzeugen. Das heißt auch, dass es keinen Kupplungsbereich mehr gibt und eine Gefahrenquelle für Unfälle minimiert wird.

Ein Langzug hat im Vergleich zu einer heutigen Doppeltraktion pro Seite zwei zusätzliche Fahrgasttüren (zehn statt bislang acht Türen). Ziel ist es, das Ein- und Aussteigen zu beschleunigen und eine bessere Verteilung der Fahrgäste im Fahrzeug zu erreichen. Die Mehrzweckbereiche sind offen und großzügig gestaltet, das Innendesign ist hell, freundlich, modern und einladend. Das Design wird anhand des Mockups ebenfalls final abgestimmt.

Alle neuen Fahrzeuge sind mit CO2-Klimaanlagen ausgestattet, die besonders energieeffizient und umweltfreundlich arbeiten. Die Fahrzeuge verfügen zudem über ein Kollisionswarnsystem, das mittels Sensoren Objekte in bis zu 80 Metern Entfernung erkennen kann. In Abhängigkeit von der Geschwindigkeit der Stadtbahn und dem daraus resultierenden Bremsweg wird das Fahrpersonal frühzeitig durch das System gewarnt.

Die Fahrzeuge sind zudem mit Sensoren ausgestattet, die eine vorausschauende Instandhaltung ermöglichen sollen. Dadurch sollen die Fahrzeuge künftig deutlich weniger in der Werkstatt gebunden sein als das heute der Fall ist. Ein weiteres Merkmal der neuen Fahrzeugserie ist die Ausstattung mit modernen Kundeninformationssystemen, die zum Beispiel über Bildschirme den Fahrgästen Informationen zur Verfügung stellen.

Zur Schulung des Fahrpersonals wird künftig ein Fahrsimulator zur Verfügung stehen, der einen Nachbau des Fahrerraumes inklusive aller Funktionen darstellt. Dem Fahrpersonal wird die reale äußere Umgebung des Fahrerraums digital nachgebildet und auf Monitoren dargestellt; mittels Virtual Reality werden Teile des Streckennetzes sowie dessen Umgebung digital dargestellt und verschiedene Ereignisse und Störfälle simuliert.