Rundgang Vom Modehaus zum Stadtmuseum
Köln · Wer im neuen Interim des Stadtmuseums im früheren Modehaus Sauer über die Treppe die erste Ebene betritt, hat mehr als 2000 Jahre Kölner Stadtgeschichte in einem großen Raum vor Augen. Das Zentrum bildet das große Stadtmodell von 1571.
In den Vitrinen, die um das Modell gruppiert sind, finden sich die Schätze des Hauses von der Jungsteinzeit mit Gefäßen über einen römischen Legionärshelm bis zu selbst gebastelten Corona-Masken mit Stadtpanorama aus der jüngsten Pandemiezeit. Zu sehen gibt es außerdem das Kölner Stadtsiegel von 1269 und den Verbundbrief von 1396, die erste Kölner Stadtverfassung. Dazu kommt die mit Lippenstiften besetzte Schreibmaschine des Fluxus-Künstlers Wolf Vostell aus dem Jahr 1969.
Auch sehbehinderte Menschen haben Zugang zur Ausstellung
Doch es gibt noch weit mehr zu entdecken, wenn sich der Besucher eines der Tablets ausleiht und den Raum mithilfe von Augmented Reality genauer betrachtet. So wird gezeigt, wie sich die Müllmengen seit der Römerzeit und dem Mittelalter bis heute vervielfacht haben. Für Menschen mit einer Sehbehinderung ist Stadtgeschichte durch Miniaturen zum Beispiel vom Rathaus oder vom unfertigen Dom auch mit den Händen gut ertastbar.
Wegen der Größe der Ausstellungsräume haben die Macher der neuen Dauerausstellung auf eine chronologische Darstellung in den anderen Bereichen des Interims verzichtet und stattdessen Themenräume eingerichtet. Dabei werden die eigenen Exponate aus der Sammlung mit Objekten kombiniert, die Kölner Bürger ins Museum gebracht haben. Dazu gehört bei der Frage ““Worauf haben wir Lust?“ zum Beispiel Sand von der kölschen Riviera oder der Tennisschläger einer sportbegeisterten Kölnerin.
Auf der Rückseite finden sich bei der „Lustfrage“ zum Beispiel der Themenblock Sexualität und Liebe, wo unter anderem die Trauringe des ersten schwulen Ehepaars aus der TV-Serie „Lindenstraße“ gezeigt werden. Beim Thema Spielen reicht das Objektspektrum von mittelalterlichen Murmeln über ein Schachbrett bis zu den ersten Konsolen für Videospiele. Auch das Thema Essen und Genießen spielt eine Rolle, mit der Berufskleidung eines Köbes, mittelalterlichem Geschirr oder dem Schriftzug des türkischen Restaurants „Bosporus“.
Bei der Frage „Was macht uns wütend?“ geht es zum Beispiel um den Herstatt-Bankenskandal, die Stollwerck-Besetzung oder um die Gewalt gegen Frauen, die wie beim brutalen Mord im Bereich des Kolping-Denkmals auch tödlich enden kann. Dabei fällt der Blick von den Exponaten direkt auf den Tatort. Bei „Woran glauben wir?“ sind Religionen wie das Christentum, das Judentum oder der Islam genauso mit eindrucksvollen Exponaten abgedeckt wie der Glaube an Ideologien, Geld oder den Fußball, der durch eine FC-Kutte vertreten ist.
Exponate zwischen
Angst und Hoffnung
Weitergeführt werden die Themenbereiche in den beiden Untergeschossen des früheren Modehauses. Dort dreht sich auf einer Ebene alles um Angst und um Hoffnung. Angst macht zum Beispiel der NS-Terror, der von der Nazizeit bis zum Anschlag in der Keupstraße oder dem Attentat auf die damalige OB-Kandidatin Henriette Reker reicht. Zu sehen ist auch der selbst gebaute Flammenwerfer, der 1964 beim Amoklauf in einer Schule in Volkhoven verwendet wurde. Hoffnung macht dagegen die Demokratie, die zum Beispiel an der Person des Kölner OB und Bundeskanzlers Konrad Adenauer festgemacht wird.
Bei der Frage „Was verbindet uns?“ spielen die Kölner Medien mit ihren bekannten Zeitungen und Fernsehformaten genauso eine Rolle wie die Kölner Wirtschaftsgeschichte. Auch dem Rhein und den Kölner Brücken sind viele Objekte wie das Bergkristallschiff aus dem Kölner Ratssilber gewidmet. Bei „Was bewegt uns?“ geht es um die Kölner Mobilitätsgeschichte vom ersten Motorwagen „Vis-à-Vis“ von 1901 bis zum in Köln gefertigten E-Scooter. Dazu kommen große Paraden wie der Geisterzug oder die Fronleichnamsprozession sowie die Migrationsgeschichten von Menschen, die nach Köln gekommen sind oder die aus der Stadt fliehen mussten.
Bei „Was lieben wir“ spielen bekannte kölsche Marken wie 4711, Farina, Rimowa oder Stollwerck genauso eine Rolle wie die kölschen Verzällche von den Heinzelmännchen oder von Jan und Griet. Dazu kommt die geliebte Heimat, die man aber auch einbüßen kann, wenn man fliehen muss. Geliebt werden natürlich auch kölsche Bands wie Kasalla oder Institutionen wie das Hänneschen-Theater, das eine Stockpuppe zum selbst ausprobieren zur Verfügung gestellt hat.