Pfirsich-Ernte an der Bahntrasse

Mitten in der Innenstadt hat der seltene rote Weinbergpfirsich eine Nische gefunden, in der er reifen kann.

Burscheid. Er ist sehr wärmebedürftig. Daher wächst er auch besonders gerne in Weinbaugebieten. Beides - die Wärme und der Weinbau - zählen nicht gerade zu den herausragenden Merkmalen des Bergischen Landes. Und doch hat er auch hier seine Nische gefunden. Dicht gedrängt an eine schützende Hauswand, wächst mitten in der Burscheider Innenstadt ein Obstbaum mit seltener Frucht: dem roten Weinbergpfirsich.

Ein Name, der in die Irre führt. "Von außen ist er mausgrau und häßlich", urteilt sein Besitzer Friedhelm Sarling nüchtern. Plüschprumme heißt der Pfirsich auch treffend in der rheinischen Mundart - Hinweis auf die wenig appetitliche pelzige Schale. "Roh schmeckt er nicht", liefert Sarling ein weiteres Argument vordergründiger Ablehnung. Und zudem reagiert der Pfirsich noch empfindlich auf Regen und Druck. "Er ist eine zickige Frucht."

Nein, der Weinbergpfirsich taugt nicht für die Liebe auf den ersten Blick. Er benötigt die Zuneigung des Kenners, der sich mit Oberflächlichem nicht zufriedengibt. Denn wenn der Paffrather Grundschulrektor Sarling und seine Ehefrau Winfriede, seit fast 30 Jahren Englischlehrerin an der Burscheider Realschule, im September zur Ernte schreiten, legen sie anschließend mit Leidenschaft die verborgenen Qualitäten der traditionsreichen Delikatesse frei.

Wie eine Tomate, die man häuten will, wird auch der Weinbergpfirsich in kochendem Wasser kurz blanchiert. Ist die pelzige Schale erst einmal abgezogen, offenbart er sein tiefrotes Inneres. "Die schöneren Früchte koche ich mit Zuckerwasser ein", sagt Winfriede Sarling. Aus dem Rest wird Marmelade. Wenn die Einkochgläser dann wieder geöffnet werden, darf Sahne nicht fehlen.

Nach Burscheid fand der Obstbaum über Köln. "Schon mein Urgroßvater hatte ein Faible für Pflanzen", erzählt der gebürtige Kölner Sarling. Im Garten der Großeltern standen mehrere Pfirsichbäume. Als 1980 der Umzug nach Burscheid erfolgte, "habe ich die Kerne im Blumentopf vorgezogen und dann eingesetzt".

Das Experiment funktionierte. Heute ragt der Baum meterhoch in den Garten an der Hauptstraße unmittelbar oberhalb der Bahntrasse und hat inzwischen schon zwei jüngere Geschwister - auch wenn die Früchte im Bergischen kleiner ausfallen als in Köln. "Da ist es ja auch ein bis zwei Grad wärmer."

Die Eheleute Sarling pflegen ihre seltene Obstsorte. Der Ernteerfolg wird immer anhand der ausgelösten Kerne abgezählt. Mal sind es nur 60 bis 70, es gibt aber auch Jahre mit 300. "Der Reiz liegt ja auch in der Verknappung", sagt der Schulrektor.

Er ist ohnehin überzeugt, dass sich die Zuwendung auch an anderer Stelle bezahlt macht: "Wenn sich beide einer gemeinsamen Sache widmen, hält das die Ehe in Schwung", sagt er schmunzelnd.