Wuppermann-Bildungswerk: „Wir können den Betrieben helfen“
Burscheid. Joachim Pfingst vom Wuppermann-Bildungswerk über schwache Schüler, kleine Firmen und eine Ausbildung im Verbund.
Herr Pfingst, laut einer Studie des Wuppermann-Bildungswerks bilden 62,2 Prozent der Betriebe in der Region noch nicht aus. Ist denen noch zu helfen?
Joachim Pfingst: Ich hoffe sehr, dass diese Betriebe erkennen, dass wir ihnen helfen können. Viele kleinere und mittlere Unternehmen tun sich schwer, die nötigen personellen und technischen Ressourcen aufzubringen. Sie sind oft auch zu spezialisiert, um die Ausbildung in der Breite gewährleisten zu können. Bisher konnten sie ihren Facharbeitermangel auf dem Arbeitsmarkt decken. Künftig müssen wir auch diese Firmen in die Ausbildung und Qualifizierung einbinden, zum Beispiel im Verbund.
Werden die Firmen bei den Bewerbern noch so aussieben können wie bisher?
Pfingst: Das ist sicher von Beruf zu Beruf unterschiedlich. Der Facharbeitermangel betrifft vor allem die gewerblich-technischen Berufe, die nicht dieses überragende Image haben. Wir werden uns dort nicht mehr leisten können, Jugendliche auszugrenzen, nur weil sie schlechte Schulnoten haben oder Defizite beim Sozialverhalten.
Wird die Förderung der Schwächeren also künftig die Hauptaufgabe der Ausbildung?
Pfingst: Vollkommen richtig. Wir müssen uns auf ein ganz anderes Klientel einstellen. Die Jugendlichen sind heute auch nicht schwächer als früher. Aber vor 30 Jahren sind viele von ihnen nach der Schule noch direkt als Un- oder Angelernte in die Betriebe gegangen. Die Unternehmen sagen aber ganz klar, dass der Anteil dieser Jobs abnimmt. Um alle zu qualifizieren, müssen wir daher neue Wege gehen. Ich denke an gute Ausbildungswerkstätten, pädagogisch geschulte Ausbilder, sozialpädagogische Betreuung und Förderunterricht neben der Berufsschule. Aber das können kleinere Betriebe nicht allein leisten.
So begründen die Firmen oft, warum sie nicht ausbilden. Das Wuppermann-Bildungswerk ist Träger überbetrieblicher Ausbildung. Funktioniert das Modell?
Pfingst: Ja, vor allem, weil wir den Unternehmen kein einheitliches Verfahren überstülpen, sondern ein passgenaues Ausbildungskonzept anbieten. Derzeit haben wir hier 150 Auszubildende anderer Unternehmen, die ihre Ausbildung komplett bei uns absolvieren. Bei weiteren Betrieben übernehmen wir dagegen nur einzelne Ausbildungsmodule.
Wie sehen die Erfolgsquoten aus?
Pfingst: Etwa 95 Prozent unserer Absolventen bestehen die IHK-Abschlussprüfung. Gerade bei der Auftragsausbildung liegen wir oft über dem Kammerdurchschnitt. Und die Vermittlungsquote in den Beruf nach der Ausbildung bewegt sich nahe 100 Prozent.
Bei Ausbildung und Qualifizierung geht es auch um Geld. Landesmittel für außerbetriebliche Ausbildungsprogramme gibt es mit wenigen Ausnahmen nicht mehr.
Pfingst: Für kleinere Unternehmen ist es schwer einzusehen, dass die größeren Firmen die leistungsstarken Schulabgänger abfischen und ihnen nur die schwächeren Abgänger bleiben, für die sie den gleichen Aufwand bei wesentlich höherem Risiko betreiben müssen. Die Prozesse, um auch aus den Schwachen gute Facharbeiter zu machen, könnten natürlich mit Förderprogrammen wesentlich schneller realisiert werden.
Aber die nötige Überzeugungsarbeit, dass die Betriebe in die Bresche springen müssen, ist nur eine Seite der Medaille. Sind nicht die Vorstellungen bei Schülern, Eltern und Lehrern oft das größere Problem?
Pfingst: Darum ist frühe Berufsorientierung so wichtig, zumindest ab der achten Klasse. Dabei geht es immer um das Abgleichen einer realistischen Einschätzung des Berufswegs mit überzogenen Berufsvorstellungen. Gerade Eltern müssen oft überzeugt werden, ihre Kinder nicht in Berufswege zu drängen, die nicht für sie geeignet sind.
Wenn man die aktuelle Konjunktur des Themas Facharbeitermangel betrachtet, entsteht der Eindruck, dass die Firmen dabei nicht gerade strategisch und langfristig vorgehen.
Pfingst: In großen Unternehmen gibt es die Instrumente der Personalentwicklung, zum Beispiel über eine Altersstrukturanalyse. Aber bei kleinen und mittleren Betrieben wird oft sehr intuitiv gehandelt. Wir stehen am Anfang der Problematik, die Schmerzgrenze ist bei vielen noch nicht erreicht. Aber Qualifizierung kostet Zeit.