Malerin aus Brasilien Frau Luduvico gibt nicht auf
Düsseldorf · Die Künstlerin Rosilene Ludovico stammt aus dem brasilianischen Urwald. Seit 1997 lebt und arbeitet sie in Düsseldorf. Jetzt ging ihr gesamtes Bilderlager in Flammen auf.
Den 11. September 2024 wird Rosilene Luduvico nicht vergessen. Um 10.30 Uhr bekam sie ein Handy-Foto mit der Bildzeile: „Das Elternhaus brennt. Alle deine Bilder verbrennen“. Die E-Mail kam aus Brasilien, wo es gerade dämmerte.
Rosi, wie man sie hier nennt, ist wohl die einzige Malerin aus Düsseldorf, die im Urwald geboren wurde, 9000 Kilometer von der Kunstakademie entfernt, wo sie später studierte. Ihr gesamtes Lager, seit den letzten Ausstellungen in Transportkisten verpackt, ging bei dem Brand in Flammen auf. Ihr Bruder wollte noch ins Feuer springen, um die Werke zu retten, aber das hätte ihn das Leben gekostet.
In ganz Brasilien herrscht derzeit eine große Trockenheit und eine Hitze wie in der Sahara. Der Amazonas, der größte Fluss der Welt, ist fast ausgetrocknet. Die Dürre facht Brände an. So ging das Haus, das Rosis Vater in einer kleinen Oase mitten im Wald aus dem Holz der Umgebung gebaut hatte, sofort in Flammen auf. Die 80 Liter Wasser, mit denen die Feuerwehr anrückte, waren ein Tropfen auf den heißen Stein. „Von dem Haus ist nicht einmal ein Stück Papier geblieben“, sagt Luduvico, die gerade aus Brasilien zurückgekommen ist.
Der Lebensweg dieser Künstlerin ist ungewöhnlich. Sie wurde 1969 als Tochter von Bauern mitten im gebirgigen Dschungel geboren. Die Eltern mussten einen Weg frei schlagen, als sie schulpflichtig war. Es gab kein Radio, keinen Fernseher, kein Licht, aber die Schule, die Bücher und die Erzählungen des Vaters. Außerdem hatte ein Onkel Theologie und Landwirtschaft in der Stadt studiert und schenkte ihr, als sie zwölf Jahre alt war, einen Malkasten, Pinsel und Stoff. „Ich fing sofort zu malen an“, erzählt sie.
Ihre ersten vier Schuljahre verbrachte sie mit zehn Kindern aus vier Schuljahrgängen in einem Raum, so groß wie eine kleine Küche. Für die nächsten vier Jahre ging es mit dem Bus in einen zehn Kilometer entfernten Ort. Aber Rosi wollte weiter, lebte bei ihrer Patentante, um an der Universität Kunst zu studieren, und stieß in der Bibliothek auf ein Buch über die zeitgenössische deutsche Malerei mit Abbildungen von Künstlern wie Beuys und Anzinger.
Daraufhin nahm sie einen Deutsch-Kurs im Goethe-Institut und erhielt nach ihrem Abschluss ein Visum für Deutschland. Der Vater verkaufte eine Kuh, um ihr Geld zum Überleben für die ersten Monate zu geben. So kam sie 1997 nach Düsseldorf, wurde Meisterschülerin bei Konrad Klapheck und studierte nach dessen Pensionierung bei Siegfried Anzinger.
Früheres Leben in der Einsamkeit beeinflusst ihre Kunst
Ludovicos frühes Leben in der Einsamkeit hat einen großen Einfluss auf ihre Kunst. Sie ist bei aller Schönheit doch sehr sparsam. Seit ihren ersten Ausstellungen im Parkhaus, in der Kunsthalle und bei Philara geht von ihren Bildern eine sanfte, mysteriöse Stimmung aus. Ihre Bäume wirken auf dem durchscheinenden Malgrund aus mehrfach geschliffener Bologna-Kreide naturalistisch und abstrakt zugleich. Sie sind schwerelos wie Luft. Ob Pflanzen oder Vögel: Sie bestehen aus kurzen Pinselstrichen und Farbtupfern. Alles hat eine große Weite, ohne Horizont, ohne Boden, ohne Firmament. Nichts lässt sich fassen. Die Natur ist komponiert, aber sie befindet sich im freien Luftraum. Parallel zu diesen Landschaften entstehen Porträts voller Poesie, deren Gesichtsausdruck einem anderen Zeitgefühl als unserer Gegenwart anzugehören scheint.
Am Anfang ihrer Karriere vermittelte sie zwischen Südamerika und Europa, indem sie für das Haus der Kunst in München auf den Spuren des niederländischen Barockmalers und Brasilienreisenden Frans Post durch Brasilien wanderte und an seinen Standorten eigene Bilder schuf. Post hielt ab 1637 sieben Jahre lang in den holländischen Kolonien das „Papageienland“ fest. Ludovico jedoch malt keine exotischen Bilder, eher beseelte Landschaften, indem sie die Ölfarbe mit Terpentin verdünnt und aquarellartig aufträgt. Anschließend bietet sie mit Dammarharz den kostbaren Farben einen gewissen Schutz.
Doch an jenem 11. September gab es keinen Schutz, als die Flammen loderten. Rosi hatte seit der Biennale in Curitiba, an der sie 2013 teilnahm, mehrere große Ausstellungen in Brasilien, nahm etwa an einer Tournee zur Postmoderne an drei Orten in ihrer alten Heimat teil. Die Bilder, die sie dort zeigte, lagerten in ihrem kleinen Haus in Rio Fundo (Tiefer Berg), das ihr die Eltern überließen, nachdem sie sich nebenan ein neues Haus gebaut hatten. Das Haus war unbewohnt, als ein Autofahrer die Flammen sah und die Familie weckte. Dutzende ihrer Bilder, Hunderte von Zeichnungen und Aquarelle sowie ihr gesamtes Frühwerk, sogar ihr Kinderbett, die Malmittel und die vielen Bücher sind vernichtet.
Doch die tapfere und bescheidene Frau gibt nicht auf. In ihrem großen lichten Atelier an der Lierenfelder Straße malt sie weiter. Die nächste Ausstellung ist im Oktober in München geplant. Am Wochenende wird sie nach Halle an der Saale fahren, wo sie eine Vertretungsprofessur für drei Semester an der berühmten Burg Giebichenstein hat.