Massenhafte Kürzungen Mit dem Rotstift durch die freie NRW-Kulturszene

Düsseldorf · Das Förder-Aus für mehrere Tanzprojekte in Düsseldorf ist nur ein Teil eines ganzen Pakets von Sparmaßnahmen. Denn der Kulturetat sinkt – im kommenden Jahr um 5,5 Millionen Euro.

Viele Kollektive wie Marikiscrycrycry – hier mit der Performance „Dark, happy, to the core“ – bauen auf öffentlich geförderte Projekte.

Foto: Vinther Thomsen

Tanzkünstlern und Choreografen wird es gerade bang ums Herz. Das Tanzhaus NRW beklagt den Wegfall des Netzwerks International Dance Artist Service (IDAS NRW), das vielen renommierten Tanzkünstlern praktisch und finanziell zur Seite steht. Dann das Förder-Aus für die Internationale Tanzmesse für 2026. In Ostwestfalen soll das interkommunale Projekt „Tanz Owl“ gestrichen werden.

„Das Tanzland NRW läuft Gefahr, seine internationale Strahlkraft zu verlieren“, sagt Ingrida Gerbutaviciute, Intendantin des Tanzhauses. „Es erwischt den Tanz aktuell massiv, und besonders NRW als Tanzstandort Nummer eins“, sagt auch Heike Lehmke, Geschäftsführerin des Landesbüros Tanz, das die Internationale Tanzmesse alle zwei Jahre ausrichtet: „Wenn diese Förderung wegfällt, dann können wir keine Tanzmesse mehr machen.“

Der Tanz ist nicht die einzige Sparte, in der der Rotstift angesetzt wird: Etliche Projekte der freien Szene sind betroffen. Das Netzwerk Filmkultur NRW etwa. Es soll ab Januar knapp 15 Prozent weniger Mittel bekommen. „Dies bedeutet den Wegfall aller Veranstaltungen sowie Kürzung der Personalstunden – für die ohnehin schon unterrepräsentierte Sparte ist das besonders lähmend“, erläutert Lorenz Deutsch, Vorsitzender des Kulturrats NRW. Ebenfalls im Sparkorsett: die Projektfördermittel für vernetzte Kultur und im Bereich der darstellenden Künste laut Kulturrat NRW das Netzwerk für Nachwuchskünstler „Cheers for Fears“.

„Zum Jahresende bewahrheiten sich die Befürchtungen der Kulturszene. Entgegen anderslautenden Ankündigungen werden auch Förderungen des Landes in einigen Bereichen teils drastisch und kurzfristig gekürzt“, heißt es beim Kulturrat NRW mit Sitz in Köln. Er habe als Dachverband die Berichte aus mehreren Sektionen erhalten.

Der Sprecher des NRW-Kulturministeriums verweist auf die allgemein angespannte Haushaltslage. Von der sei auch die Kulturförderung betroffen. „Daher sinkt im Haushaltsplanentwurf 2025 der Kulturetat um moderate 5,5 Millionen beziehungsweise 1,74 Prozent im Vergleich zum Jahr 2024.“

Der Kulturrat kritisiert allerdings, dass das aktuelle Sparprogramm undurchsichtig und kurzfristig daherkomme. „Insgesamt bietet sich ein Bild großer Intransparenz. Die Sorge in der Kulturszene ist groß, dass es zu weiteren Einschnitten kommen wird. Nach dem Ausbleiben der versprochenen Erhöhungen wurde hervorgehoben, dass der Kulturetat nicht gekürzt werden muss. Es zeigt sich aber nun in den konkreten Förderentscheidungen, dass Kürzungen und Streichungen vorgenommen werden. Ob die Entscheidungen konzeptionell oder finanziell begründet sind, bleibt unklar“, so der Vorsitzende des Kulturrats. Auch Gerbutaviciute und Lehmke bemängeln, dass die Informationen über Kürzungen sie erst kurzfristig erreicht hätten. „Der knappe Zeitraum lässt uns geringe Handlungsspielräume, zumal im Vorfeld kein Gespräch mit uns oder den betroffenen Künstlerinnen und Künstlern gesucht wurde“, sagt Gerbutaviciute.

Der Darstellung des Kulturrats widerspricht das NRW-Kulturministerium: „Anders als vom Kulturrat NRW behauptet, sind diese Rahmenbedingungen genauso bereits im Kulturausschuss des Landtages öffentlich kommuniziert worden.“

Überhaupt bemüht sich das Ministerium, die scharfen Einschnitte – zumindest verbal – abzufedern. Beispiel Tanzmesse: Sie soll überarbeitet und neu konzipiert werden. Sie könnte etwa als Kongress gedacht werden. „Das neue Format kann voraussichtlich 2028 starten“, heißt es aus dem Kulturministerium. Beispiel Tanznetzwerk: Viele Leistungen von IDAS – Beratung bei Dramaturgie, Vernetzung, Vermarktung und Rechtsfragen – würden auch von anderen Einrichtungen wie dem Landesbüro Tanz, LAG Tanz, Landesbüro Freie Darstellende Künste, Kulturrat abgedeckt, die ebenfalls vom Land gefördert werden, argumentiert das Ministerium.

Auch in Berlin ist die Kulturszene unter Druck geraten. Es ist vor allem die freie Szene, die bangt und einstecken muss, während große (Bau-)Projekte wie auch in Düsseldorf mit der Oper weitergeschrieben werden.

Zum unerquicklichen Landestrend gesellt sich die Bundeswetterlage: Im Sommer hatte Kulturstaatsministerin Claudia Roth angekündigt, die Fördermittel für das Bündnis internationaler Produktionshäuser im Umfang von insgesamt rund vier Millionen Euro zu streichen. Das Tanzhaus NRW und das FFT sind von dieser Streichung betroffen, ebenso weitere fünf Häuser in NRW.

(saja/ckoe/ha)