Düsseldorf 200-Kilo-Mann wurde gekündigt, weil er zu dick ist
Arbeitsgericht gab der Klage des Gärtners statt: Er darf weiter arbeiten. Der Fall zeigt, wie komplex das Thema Übergewicht im Arbeitsleben ist.
Düsseldorf. Hartmut H. ist 1,94 Meter groß und 200 Kilo schwer. Vermutlich jedenfalls, denn der 48-Jährige hat schon länger auf keiner Waage mehr gestanden. Also könnten es auch ein paar Kilo mehr sein. Von seinem Arbeitgeber war der Gärtner und Tiefbauarbeiter immer wieder zum Abspecken aufgefordert worden, weil er nur noch eingeschränkt eingesetzt werden könne. Doch eine Therapie scheiterte. Im Juli wurde es dem Unternehmen zu bunt. Hartmut H. bekam nach 30 Jahren im Betrieb die Kündigung. Dagegen kämpfte er am Donnerstag vor dem Arbeitsgericht erfolgreich.
Es war eine ganze Liste von Tätigkeiten, die der 48-Jährige angeblich nicht mehr ausführen kann. So passe er wegen seiner Leibesfülle nicht mehr hinter das Lenkrad des Sprinters. Außerdem könne nicht mehr in Dreier-Kolonnen zu Baustellen gefahren werden, weil neben Hartmut H. nur noch ein Kollege Platz findet. In der Pflanzenpflege war H. angeblich nicht mehr eingesetzt worden, weil die Leiter nur für Personen bis zu 150 Kilo zugelassen ist.
Einige Vorfälle räumt Hartmut H. auch ein. So war die Trittstufe eines Lkw unter seinem Gewicht abgebrochen. Bei Aushubarbeiten war auch mehrfach die Gruben-Kante eingestürzt: „Das passiert aber auch schon mal, wenn Dünnere darüberlaufen.“
Der Arbeitsrichter schlug einen Vergleich vor. Der Gärtner sollte zwei Jahre Zeit bekommen, um sein Gewicht zu reduzieren. Sein Arbeitgeber hatte sogar gefordert, er solle seinen Magen verkleinern lassen. Doch die beiden Parteien wurden sich nicht einig. Am Ende wurde die Kündigung für unwirksam erklärt. Die Firma hätte noch konkreter vortragen müssen, warum Hartmut H. nur noch vermindert leistungsfähig ist.
Die Frage, wie man mit Übergewicht im Arbeitsleben umgeht, ist eine schwierige — und sie wird auch bei anderen Arbeitgebern gestellt. „Wir haben keine Höchstgrenze für das Gewicht. Aber jedes Jahr eine Leistungsabnahme“, erklärt Polizeisprecher Markus Niesczery. Wer daran nicht teilnimmt, braucht ein ärztliches Attest — dass es unter Umständen auch für Adipositas, also krankhafte Fettleibigkeit, geben kann. „Dann ist man ein Fall fürs Gesundheitsmanagement“, so Niesczery. „Das ist heute eine eigene Dienststelle in unserer Behörde.“ Und die helfe dem Beamten, wieder fit für den Dienst zu werden.
Ernährungsberatung und Unterstützung beim Abnehmen gibt es auch bei der Berufsfeuerwehr in Düsseldorf für Mitarbeiter, denen bei der regelmäßigen ärztlichen Überprüfung ein zu hoher Body-Mass-Index bescheinigt wird, sagt Sprecher Heinz Engels. Aber auch eine deutliche Aufforderung zum Abspecken. Früher habe man noch Stellen in der Verwaltung für unfitte Feuerwehrmänner vorgehalten. „Aber die Zeiten sind vorbei“, erklärt Engels, sie seien dem Sparzwang in der Verwaltung zum Opfer gefallen.
Dass Arbeitgeber wegen Übergewichts auf ihre Mitarbeiter zugehen, ist heute nicht mehr ungewöhnlich, erklärt Patrick Gijbels vom Adipositaszentrum des St.-Martinus-Krankenhauses: „Wir erleben oft, dass sich Unternehmer Sorgen machen.“ Ein Beispiel in Düsseldorf gebe Mercedes, wo Angestellte gezielt angesprochen und präventive Maßnahmen vereinbart würden. Teils seien sie für die Teilnahme an Bewegungsprogrammen sogar freigestellt oder Dienstpläne angepasst worden.
Solches Engagement sei wertvoll, sagt Gijbels. Denn: „Es ist eine Krankheit, die behandelt werden muss.“ Allerdings besser durch das Angebot von Hilfe als durch Zwang. Eine Auseinandersetzung mit dem Thema ist für Arbeitgeber aber wohl unerlässlich. Gijbels weiß aus der Praxis: „Die Zahl der Betroffenen steigt immer schneller an.“