Ausstellung in Düsseldorf Das Leiden der Homosexuellen

Düsseldorf · Düsseldorf war während der NS-Zeit eine „Hochburg“ der Schwulenverfolgung. Nun gibt es eine Ausstellung zum Paragraf 175. Ein beklemmender Blick in ein Thema, mit dem die Gesellschaft auch heute oft noch fremdelt.

Die Verbindungsspur zwischen Mahn- und Gedenkstätte und dem Rathaus.

Foto: Jana Hansjürgen

Eine auf den Gehweg gesprühte Spur führt von der Mühlenstraße zum Rathaus. „Love is Love“ ist da zu lesen. „Akzeptanz“. Oder „175“. Der Paragraf, der in seiner ursprünglichen Fassung von 1935 lautete: „Ein Mann, der mit einem anderen Mann Unzucht treibt oder sich zur Unzucht missbrauchen lässt, wird mit Gefängnis bestraft.“ Auch nach der Nazizeit galt die Strafvorschrift in mehrfach veränderter Form weiter, bis sie 1994 schließlich abgeschafft wurde. Welches Leid diese Regelung und die dahinter stehende gesellschaftliche Haltung über die davon Betroffenen brachte, das dokumentiert eine Ausstellung in Düsseldorf. Deren erster Teil befindet sich in der Mahn- und Gedenkstätte auf der Mühlenstraße. Der zweite im Ausstellungsraum des Rathauses. Daher die gesprühte Spur.

Im ersten Teil wird die Zeit vor und während des Nationalsozialismus beleuchtet. Der zweite blickt auf die jüngere Vergangenheit. Eine Vergangenheit, die längst noch nicht vergessen ist und fortwirkt. Oberbürgermeister Thomas Geisel bei der Eröffnung: „Zwar sagen die Leute von sich, sie seien wahnsinnig tolerant, machten keinen Unterschied, ob jemand homosexuell oder heterosexuell ist.“ Aber wenn es darum gehe, dass jemand offen schwul oder lesbisch lebt, dann hätten doch viele ein Problem damit. Der SPD-Politiker: „Dass Männer Männer lieben und Frauen Frauen, ist mit Sicherheit kein Unrecht, und es geschieht den Beteiligten keinerlei Unrecht.“

Schon am Eingang der Mahn- und Gedenkstätte betont ein Plakat, dass Düsseldorf während der Zeit des Nationalsozialismus eine „Hochburg“ der Schwulenverfolgung war. In kaum einer anderen Stadt seien so viele Männer aufgrund des Paragrafen 175 verhaftet worden wie hier. Sie wurden in Lager deportiert, mussten Zwangsarbeit verrichten, wurden ermordet. Es gab unter den Nazis bis zu 50 000 Verurteilungen wegen § 175, bis zu 15 000 Betroffene endeten im KZ.

Die Naziideologie und das unbarmherzige Strafregime

Die dahinter stehende Ideologie wird auf einer Ausstellungstafel so erläutert: „Männliche Homosexualität stand in direktem Gegensatz zur NS-Rassen- und Familienpolitik. ,Erbgesunde Volksgenossen’ hatten die Aufgabe, miteinander ebenso erbgesunde Nachkommen zu zeugen, um den Erhalt der Rasse zu sichern. Homosexuelle Männer entzogen sich der Reproduktion, indem sie ihren Samen in Verbindungen vergeudeten, die nicht der Fortpflanzung dienten.“

Es gibt Dokumente über sogenannte „Schutzhaftbefehle“ wegen Verstoßes gegen die „zur Volksgesundheit ergangenen Anordnungen“. Andere Dokumente zeigen die Aberkennung von Doktorgraden. Und es geht um „Entmannung“. Zwar habe auch in der Nazizeit kein Zwang zur Kastration der nach § 175 Verurteilten bestanden, wohl aber sei massiver Druck durch das Inaussichtstellen von Strafmilderung ausgeübt worden.

Blick in den Ausstellungsraum im Düsseldorfer Rathaus.

Foto: Peter Kurz

Ein paar Hundert Meter weiter, im Rathaus, geht es um die Zeit von 1949 bis in die Gegenwart, bis hin zur Rehabilitierung und Entschädigung im Jahr 2017. Eine Tafel über die Adenauer-Ära ist überschrieben mit: „Für die Homosexuellen ist das Dritte Reich noch nicht zu Ende“. Und da liegt auch das Büchlein eines Rechtsprofessors der Uni Bonn, das sich mit der „Kriminalität der lesbischen Frau“ beschäftigt.

Elisabeth Wilfart, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt, sieht die unselige Geschichte als längst nicht abgeschlossen. Bei der Ausstellungseröffnung im Rathaus kritisierte sie die Katholische Kirche, „die erstens leugnet, selbst schwule Pfarrer zu haben und dann auch nur heimlich den Segen gibt für schwule Paare“. Auch sei es immer noch nicht möglich, offen schwul zu sein im Fußball – wegen der Angst, stigmatisiert zu werden. „Wir sind noch nicht am Ziel“, sagt auch ihr Chef Thomas Geisel.