Der gute Geist der Subkultur
Captain Flingern ist eine Erfindung gegen die Langeweile. Seit fünf Jahren zeigen zwei Jungs ein Gespür für originellen Zeitvertreib.
Düsseldorf. Wenn die WG ohne Balkon aus der sechsten Etage Lust auf ein Feierabendbierchen verspürte, landeten ihre Bewohner auf der Straße. Die olle Holzbank vor dem Waschsalon an der Acker-/Ecke Hermannstraße wurde zu ihrem Stammplatz, und als irgendwann jemand einen Plattenspieler mitbrachte, waren sie sehr bald nicht mehr alleine, denn immer mehr Leute kamen, die mitfeiern wollten.
Allerdings nervte sie der designte Poster-Kitsch, der über den Waschmaschinen hing, denn ein paar Künstlerfreunde warteten schon lange darauf, ihre Arbeiten an außergewöhnlichem Ort auszustellen. Die Bilder wurden ausgetauscht, die Musik in den Waschsalon verlagert.
Schnell sprach sich herum, dass zwei Jungs unter dem Namen Captain Flingern zu guten Partys statt zu schicken Vernissagen einluden, und am Ende standen an sommerlichen Dienstagabenden bis zu 300 Leute auf der Straße, hörten Musik und quatschten.
Drei Jahre lang dauerte der Spaß am Waschsalon, bis er 2007 wegen Anwohnerbeschwerden ein Ende haben musste. "Das Problem war, dass wir zwar um 22Uhr die Veranstaltung beendet haben, aber die Leute trotzdem geblieben sind", sagt Benjamin Ellenberger, der lieber Buckel genannt werden möchte, seitdem ihm sein Bass-Lehrer vor Jahren einmal erklärt hat, er müsse für einen bestimmten Griff seine Hand zu einem Buckel biegen.
Vor fünf Jahren hatten Ellenberger und Mike Drießen die Idee, aus dem Rumhängen unter Freunden eine Party zu machen, die sich schließlich zu einer Einstellung mit Namen Captain Flingern auswuchs. Erklärtes Ziel: der Kampf gegen die Langeweile. Und weil sie wussten, dass Geheimniskrämerei in dieser Hinsicht ein bewährtes Mittel ist, spielen sie bis heute immer ein bisschen Fantomas.
Interviews lehnen sie manchmal und Fotos von sich fast immer ab, und dass sich die Nachricht von ihren Partys vielfach über Mundpropaganda verbreitet, ist ihnen nur recht. Gut choreographiertes Versteckspiel ist ja schließlich auch nur eine Hilfe gegen zu viel Monotonie in der Stadt.
Die pure Langeweile steckt für die Jungs in einem Dienstagabend, an dem es "Sex and the City" im Fernsehen gibt und niemand vor die Tür geht. "Wir wollen gute Ausgeh-Möglichkeiten schaffen, die uns selbst Spaß machen und die wir in Düsseldorf vermissen", sagt Ellenberger.
Früher seien das die legendären Küchenpartys in vielen Düsseldorfer Wohnungen gewesen. Heute sind das elektronische Musik mit Niveau, gemäßigte Eintrittspreise und eine einfallsreiche Bewerbung von Veranstaltungen in spannungsreicher Umgebung.
Captain Flingern lädt in alte Bunker, leerstehende Krankenhäuser, Boxhallen, unterirdische Rheinbahn-Depots, Tiefgaragen und Schwimmbäder. Nicht Flyer, sondern Wäscheklammern, Kacheln oder Schallplatten kündigen die Events an, zu denen im vergangenen Jahr auch die größte Schnitzeljagd Düsseldorfs "Katz’ im Sack" gehörte.
Sie startete am S-Bahnhof Flingern und führte die zahlreichen Gäste auf Umwegen zu einem Benrather Luftschutzbunker. Es gab für jeden Jäger ein Bierchen und Strecken-Hinweise in Reimform, die in selbstgenähten Säckchen steckten. Die Aktionen des Captains haben Charme. Er ist ein bisschen wie der gute Geist der Subkultur, der die Beliebigkeit der Generation "immer super drauf" lässig links liegen lässt.
Das Arbeitspensum für solche Veranstaltungen ist enorm, die Vorbereitungen dauern oft Wochen. Für die Organisatoren springt dabei jedoch nicht viel mehr heraus als eine Aufwandsentschädigung. "Man braucht schon eine gehörigen Sockenschuss dazu, trotzdem weiterzumachen", meint Mike Drießen selbstironisch.
Vor etwa einem Jahr hat sich Captain Flingern mit Kay Schloßmacher, dem früheren Besitzer des Hafen-Clubs Harpune im Hafen, Verstärkung geholt. Er hat Erfahrung mit größeren Veranstaltungen. Gemeinsam wollen sie in der Stadt etwas bewegen und sind dabei bewusst unpolitisch. "Das gehört einfach nicht dazu. Uns geht es um Kommunikationsprojekte." Und die werden ausschließlich in Düsseldorf und unter Düsseldorfern verbreitet. "Andere Städte interessieren uns nicht", sagt Mike Drießen.