Der Nachtmarkt von Düsseldorf

Düsseldorf. Cherrytomaten, Pfirsiche, Trauben und Melonen aus Frankreich hat Michel Schier auf seiner Einkaufsliste. Um fünf Uhr ist der Händler vom Carlsplatz einer der letzten Kunden.

Die noch über den Großmarkt streifen, die ersten kommen um ein Uhr. Seit 1972 kauft er in den Hallen und geht mit Plan auf die Suche nach dem perfekten Obst für seine Kunden. "Ich gehe erst einmal durch die ganze Halle und schaue mir die Waren aller Händler genau an."

An diesem Morgen wird er schließlich bei Michael Busch fündig. Obst und Gemüse wechseln schnell den Besitzer, gefeilscht wird nicht, das war vielleicht früher so, meint Busch: "Unsere Stammkunden kennen die Preise." Schier ist einer der rund 100 Kunden, die regelmäßig zu Busch gehen. Ihm geht es nicht um Schnäppchen, sondern um Qualität: "Ich gebe den Mitarbeitern lieber Tip, damit sie mir die besten Sachen aussuchen."

Für die 90 Händler auf dem Düsseldorfer Großmarkt ist um diese Zeit die Arbeit schon fast getan. Während langsam die Sonne aufgeht, lehnen sie erschöpft an den übrig gebliebenen Kisten mit Wassermelonen. Einige räumen die letzten Paletten mit Gabelstaplern zur Seite - eine Gelegenheit im Sitzen zu verschnaufen. Hier wird nach einem anderen Rhythmus gearbeitet als draußen. "Wir arbeiten, während andere schlafen", sagt Busch. Seit 25 Jahren ist der vierfache Vater schon auf dem Großmarkt. Sein Traumberuf? "Ja", sagt er ohne zu zögern.

300 000 Tonnen Obst und Gemüse schlägt der Großmarkt jährlich um. Mangos aus Brasilien, Ingwer aus Thailand, Zuckererbsen aus Kenia und Kirschen aus Kanada. Was gestern erst geerntet wurde, liegt heute schon in den Verkaufshallen. Mit dem Flugzeug nach Frankfurt, dann weiter mit dem Lastwagen, gehen Exoten wie grüne Pflaumen und weiße Auberginen auf die Reise nach Düsseldorf.

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Ein paar Meter neben Michael Busch ihat Turgay Cetinkaya seine Verkaufsfläche. Er hat sich auf einheimische Produkte spezialisiert. Die Exoten seien nicht so gefragt, viele Kunden können sich das nicht mehr leisten. "Regionale Produkte sind gut. Wir hatten in diesem Jahr ganz tolle Pfirsichen aus Deutschland." Momentan ist bei ihm Bohnenzeit: grüne Bohnen, weiße Bohnen und dicke Bohnen stapeln sich in kleinen Kisten - praktisch für den Transport ins Restaurant oder ins Gemüsegeschäft.

Nur von ihrem Verkauf auf dem Großmarkt könnten die Händler nicht mehr leben, die Konkurrenz mit anderen Zulieferern sei zu groß. Sie sind darauf angewiesen ihre Kunden zu beliefern, auch im Ausland. "Wir liefern nach Belgien, England und Österreich", sagt Mustafa Kuru. 5000 Quadratmeter hat er an der Ulmenstraße. Kuru ist der größte Händler auf dem Großmarkt: "Wir haben 1980 angefangen und uns stetig vergrößert. Türkische Kirschen hatten wir damals. Das war was besonderes." Jetzt hat Kuru mehr Konserven und Reis im Angebot. Alleine 80 Sorten Oliven stapeln sich in Dosen bis unter die Hallendecke.

Zum Feierabend um sieben Uhr gibt es für die 600 Großmarktmitarbeiter kein Bierchen in der Kneipe nebenan, sondern ein Frühstück im Großmarktcafé. Auf dem Weg geht es bei Wilhelm Andree vorbei, dem ältesten Händler. Mit zwölf Jahren hat er auf dem Großmarkt angefangen, jetzt ist er 75. "Ich komme jeden Tag und helfe meinem Sohn, der mittlerweile das Geschäft übernommen hat." Nur eine Woche Urlaub im Jahr hat er sich immer gegönnt, dann zog es ihn wieder zu seinem Gemüse auf den Markt, das von seinen eigenen Feldern in Hamm kommt.

Michael Busch trinkt den letzten Kaffee für diese Nacht in seinem Büro - bei der Abrechnung. Gegen 12 Uhr will er sich auf den Heimweg machen. Denn um 23 Uhr muss er wieder am Großmarkt sein. Dann warten sie wieder auf ihn, die Kisten mit Cherrytomaten, Pfirsichen und Melonen.