Der Realität drei Jahre voraus

In einem streng geschützten Testzentrum an der Völklinger Straße bastelt Vodafone an der Kommunikation der Zukunft.

Düsseldorf. Die Zukunft hat begonnen. Genauer gesagt hat die Zukunft der Tele-Kommunikation begonnen - im Test- und Innovationszentrum von Vodafone an der Völklinger Straße. Dort ist die Frage Mobil- oder Festnetztelefonie längst abgehakt: Sie spielt nämlich keine große Rolle mehr, weil Kunden in wenigen Jahren überhaupt nicht mitbekommen, auf welcher der beiden Datenautobahnen sie gerade unterwegs sind.

Das Handy wird zum Festnetztelefon und umgekehrt, die Nummer ist dieselbe, die Kosten sind gleich und die alte Telefon-Anlage ein Fall für den Recyclinghof. OfficeNet nennt Vodafone diese virtuelle Telefonanlage. Entwickelt und getestet wurde sie für Geschäftskunden - im Schatten des Rheinturms.

Etwas versteckt und gut gesichert logiert das Testzentrum in sechs Etagen eines Bürokomplexes, dem man von außen kaum ansieht, dass im Inneren an der Zukunft der Telefonie und Datenübertragung geschraubt wird. Dabei haben es die 7.000 Vodafone-Quadratmeter in sich.

"Mit unseren Kapazitäten könnten wir den Betrieb des schweizer Mobilfunknetzes sicherstellen", sagt Christian Tralle, Chef des Testzentrums. Allein 20.000 Server arbeiten von Ventilatoren brummend gekühlt im Testlabor. Ein einziger der mannshohen Kästen mit einem Dutzend Servern, von den Testingenieuren ihrer Form wegen Pizzakarton genannt, simuliert spielend acht Millionen Handyverbindungen.

Ein anderer Kasten spielt Jahreswechsel und schickt in einem so genannten Last- und Stress-Test innerhalb einer Sekunde mehrere tausend inhaltsleere Kurzmitteilungen durch das Unterbilker Testnetz. "Die Situation ist vergleichbar mit der Silvesternacht, wenn das halbe Land gleichzeitig zum Telefon greift", sagt Tralle.

Ein gekühltes Räumchen weiter wird ein Mobiltelefon auf Herz und Nieren geprüft. Vollautomatisch und zehn Tage am Stück werden Bild- und Kurzmittelungen verschickt, Klingeltöne aufgespielt wird telefoniert oder gedaddelt.

In 240 Stunden erreicht das Gerät das Pensum, das ein durchschnittlicher Nutzer in zwei Jahren ebenso durchschnittlicher Vertragslaufzeit schaffen würde. Geräte, die vorher schlapp machen, fliegen raus. Schließlich ist das Sinn der Sache: Drum prüfe, wer auf dem Mobilfunk-Markt Erfolg haben will.

Das wollen nicht nur die Mobilfunker von Vodafone, sondern auch die Mitarbeiter anderer Konzerne, die das Zentrum (kostenpflichtig) benutzen dürfen. Dort testen Chinesen Modems für die LTE-Technik, die bald die heute gängigen Mobilfunkstandards ersetzen soll.

Einen Gang weiter brüten finnische Ingenieure über zukünftigen Dingen. Trifft man sich auf dem Gang, wird freundlich auf Englisch parliert. Ansonsten bleibt man unter sich. Damit Finnen nicht bei Chinesen spionieren und umgekehrt. Schließlich geht es um die Zukunft. Und viel Geld.

Was sich im Testzentrum bewährt, hat gute Chancen, eines Tages in der Wirklichkeit anzukommen. "Wir sind der Realität im Schnitt um drei Jahre voraus", sagt Christian Tralle. Die beschert Verbrauchern in gar nicht allzu langer Zeit eine Art Alleskönner-Maschine: Wenn der Badezimmerspiegel die Außentemperatur anzeigt, den Biorhythmus bestimmt, sagt, wo es staut und dann die Verbindung zum Chef herstellt. Apropos Chef:

Vor zwei Jahren hatte Ex-Bundespräsident Horst Köhler schon ein Auge auf das Testzentrum - es wurde unter seiner Schirmherrschaft als einer von 365 Orten im "Land der Ideen" ausgewählt. Orte, wo "Einfallsreichtum, schöpferische Leidenschaft und visionäres Denken" zu Hause sind.