Raver stranden in Düsseldorf
Sonderbusse setzten zahlreiche Besucher der Loveparade in Wittlaer ab – Zwischenstation auf einer langen Odyssee.
Düsseldorf. Christoph Pietsch steht der Schreck noch ins Gesicht geschrieben. Eigentlich wollte der 21-Jährige am Samstag auf der Loveparade in Duisburg einfach nur eine große Party feiern.
Doch dann kamen dort bei einer Massenpanik 19 Menschen ums Leben, darunter auch ein 38-jähriger Mann aus Derendorf und eine 38-jährige Frau aus Oberkassel. So steht Pietsch um 22.30 Uhr schließlich fröstelnd und erschöpft auf dem Parkplatz vor der Bahnhaltestelle in Wittlaer. "Ich muss nach Dorsten. Das ist 60 Kilometer entfernt."
Schon mittags kommt Pietsch auf dem Festivalgelände an. Als er am Abend per Telefon von der Tragödie erfährt, macht er sich sofort auf den Heimweg. Den Sicherheitskräften in Duisburg sei es aber wohl nur noch darum gegangen, die Menschen irgendwie aus der Stadt heraus zu bekommen - egal wohin.
"Es war das reinste Chaos." Pietsch landet schließlich wie hunderte andere Raver in einem von zahlreichen Sonderbussen, die zwischen Duisburg und Wittlaer pendeln. "Von hier komme ich aber nicht mehr mit der Bahn nach Hause. Deshalb holt mich jetzt mein Bruder mit dem Auto ab." Unterm Strich sei er jedoch einfach nur froh, gesund zu sein.
Auch die beiden Frankfurter Loana Braun und Sven Weiß haben noch einen langen Heimweg vor sich. Und hinter sich. Vier Stunden haben die beiden 18-Jährigen gebraucht, um vom Festivalgelände schließlich in einen der Busse zu gelangen.
"Als wir erfuhren, was passiert war, wollten wir nur noch weg." Mit niedergeschlagenen Mienen warten sie nun auf die Bahn, die sie Richtung Düsseldorfer Hauptbahnhof bringen soll. Dort in der Nähe haben sie ihr Auto geparkt, in dem sie übernachten wollen, bevor es zurück nach Frankfurt gehen soll.
Doch nicht nur Raver stranden am Samstagabend an der Haltestelle der U79 in Wittlaer. Die Duisburgerin Manuela Heine etwa hat den Abend auf der Düsseldorfer Kirmes verbracht und will um 23 Uhr einfach nur noch nach Hause.
Doch nichts geht mehr in Richtung ihrer Heimatstadt. Der Zug- und Busverkehr ist komplett eingestellt. "Jetzt muss ich wohl oder über ein Taxi nehmen", sagt die 46-Jährige. Ähnlich geht es Albert Schwarzer (55), der aus Bonn kommend nach Duisburg reist. "Ich wurde leider nicht über die Sperrung informiert. Sonst wäre ich gar nicht erst losgefahren."
Am Düsseldorfer Hauptbahnhof ging es dagegen relativ ruhig zu. Vereinzelt treffen Besucher der Loveparade in Zügen ein, am Abend erreichen Busse den Bahnhof. Um den Strom nach Duisburg zu stoppen, behilft sich die Bahn mit einer Notlüge: Bereits ab 19 Uhr ertönt die Durchsage, dass die Loveparade abgebrochen worden sei.
"Die Lage ist unter Kontrolle, hat sich aber noch lange nicht normalisiert", berichtet ein Polizeisprecher im Hinblick auf die zahlreichen Verspätungen und Zugausfälle, die seit Stunden auf der Anzeigetafel stehen.
Ein Augenzeuge, der eine Bahn aus Duisburg ergattern konnte und nun vor dem Gebäude auf seine Straßenbahn wartet, steht unter Schock. "Das war wie in einem Horrorfilm", sagt der Jugendliche, der seinen Namen nicht nennen möchte. "Man muss das gesehen haben, um zu verstehen, was passiert ist."