Der Schirm im Taschenformat schützt vor Regen
Vor 90 Jahren wurde in Solingen der Knirps erfunden. Er ist noch heute die bekannteste deutsche Schirmmarke — und steht im Duden.
Solingen. Erfindergeist und ein regenreiches Umfeld sind eine Kombination, die im Bergischen Land häufig aufeinandertreffen. Dass dabei eine Idee entstanden ist, die einen weltweiten Siegeszug angetreten hat, verwundert deshalb nicht: Vor 90 Jahren wurde in Solingen der zusammenschiebbare Regenschirm mit Teleskop-Gestell erfunden: der Knirps.
Die Idee dazu hatte Hans Haupt. Sie wurde im November 1934 patentiert und ist noch heute die bekannteste deutsche Schirmmarke.
Der Knirps mit dem roten Punkt als Markenzeichen ist gewissermaßen aus der Not heraus entstanden. Wegen einer Kriegsverletzung aus dem Ersten Weltkrieg musste Haupt einen Gehstock benutzen. Da ein zusätzlicher Langschirm zu unhandlich war, erfand er den Schirm, der sich zusammenschieben und in der regenfreien Zeit bequem in der Aktentasche verstauen lässt.
Zunächst taten viele renommierte Schirmhersteller den neuen Taschenschirm allerdings als Spielerei ab. Erst der Solinger Unternehmer Fritz Bremshey glaubte an den Erfolg und ließ in seiner Fertigungsstätte die ersten Exemplare des neuartigen Taschenschirmgestells herstellen. Die stetig steigenden Verkaufszahlen gaben ihm recht.
Nach dem Zusammenbruch der Bremshey AG wurde im August 1982 der Schirmbereich mit dem Markennamen „Knirps International“ von der Solinger Firma Kortenbach & Rauh übernommen. Die war mit ihrem Kobold die Nummer zwei auf dem Taschenschirmmarkt — allerdings mit deutlichem Abstand.
„Eigentlich sind wir dazu wie die Jungfrau zum Kind gekommen“, erinnert sich Peter Kortenbach. Der heute 78-Jährige war bis zur Insolvenz im Jahr 2000 der letzte Geschäftsführer des Unternehmens. Das war durch die Knirps-Übernahme quasi über Nacht zum Weltmarktführer geworden. Die Knirps-Produktion in Deutschland wurde 1999 eingestellt.
Vier Jahre später wurde in Solingen die Knirps Licence Corporation GmbH & Co. KG gegründet. Ihr Geschäftsziel war die internationale Lizenzvergabe der Marke Knirps. Im Oktober 2005 übernahmen die Firmen Doppler & Co. GmbH aus Österreich und Strotz AG aus der Schweiz die Marke Knirps.
Die Knirps Licence Corporation GmbH & Co. KG konzentriert sich seither auf die Lizenzierung der Marke Knirps und auf die Produktentwicklung weltweit.
Wie populär der Schirm war und ist, zeigt das Beispiel des früheren US-Präsidenten John F. Kennedy. Er war Knirps-Fan und bestellte den Taschenschirm für seine Bodyguards. Als die niederländische Kronprinzessin Beatrix Mitte der 1960er Jahre heiratete, lag ein Knirps mit Krokodilleder-Etui im Handschuhfach ihres Hochzeitsautos. Auch der ehemalige Papst Benedikt XVI. ließ sich einen Knirps liefern — natürlich mit Wappen des Vatikans.
Der Schirm mit dem roten Punkt ist so bekannt, dass er auch im Duden erwähnt wird: „Knirps, der; -es, -e (kleiner Junge od. Mann; ein zusammenschiebbarer Regenschirm)“. Von der Popularität des Taschenschirms profitierten auch andere Produkte aus dem Hause Kortenbach & Rauh. Klaus Worrig war dort bis zur Insolvenz im Vertrieb tätig — zuletzt als Marketingvertriebsleiter Gartenschirme. Auch die trugen den Markennamen Knirps. „Das hat alle Türen geöffnet“, weiß Worrig aus Erfahrung. Als Vertreter dieser Marke habe er überall sofort einen Gesprächstermin bekommen. Heute, sagt Worrig, „sagt jeder Knirps zu jedem Taschenschirm“. Auch zu denen ohne roten Punkt. „Der war in seinem Preisbereich ein Statussymbol“, fährt der 55-Jährige fort.
Aber deswegen auch dem Preiskampf mit Billiganbietern nicht gewachsen. In dieser Feststellung klingt bei Worrig ein wenig Wehmut an. „Ich schaue auch heute noch in den Kaufhäusern nach dem Knirps“, sagt er. Häufig wird er nicht fündig: „Die Markenpräsenz ist extrem gesunken.“
Die bisher erschienenen Folgen der Serie finden Sie im Internet unter:
wz.de/regenzeit