Derendorfer lernen etwas über die Geschichte ihres Stadtteils
Rundgang mit Zentrum plus und Geschichtswerkstatt auf den Spuren von Rheinmetall.
Düsseldorf. Irgendwann ist es Gisela Lenz dann doch etwas zu viel. „Living Office, DoubleU, Lighthouse“, zählt die Leiterin des Zentrum plus Derendorf-Nord auf und schüttelt lächelnd den Kopf. Hätte es noch eines Beweises bedurft, dass sich das Gesicht Derendorfs in den vergangenen Jahren grundlegend gewandelt hat, die englischsprachigen Bezeichnungen für die neuen Häuser hätten ihn geliefert.
Doch es geht um mehr als neue Namen beim Rundgang durch Derendorf, den das Zentrum plus an der Blumenthalstraße/Ecke Frankenstraße gemeinsam mit der Geschichtswerkstatt anbietet. Es geht um rund 150 Jahre im Stadtteil, der sich vom Dorf über einen Industrie- zum Dienstleistungsstandort mit schicken Bars und Restaurants entwickelt hat.
Dass die Geschichte Derendorfs zwangsläufig mit dem Rüstungskonzern Rheinmetall verbunden ist, ist auch Jahrzehnte nach der Schließung des letzten Werks unübersehbar. Zwar „blühen jetzt dort Rosen, wo früher Waffen geschmiedet wurden“, sagt Manfred Hebenstreit von der Geschichtswerkstatt. Doch neben dem heutigen Verwaltungsgebäude Rheinmetalls erinnern allein die Straßennamen an die militärisch geprägte Preußenzeit im 19. Jahrhundert, als Derendorf innerhalb weniger Jahre zur Heimat von zehntausenden Industriearbeitern wurde.
Die Roßstraße ist den Pferden gewidmet, die Ulanenstraße den Reitern, die Kanonierstraße eben den Kanonieren. Leonhard von Blumenthal und 14 weitere preußische Offiziere bekamen ihre eigene Straße, nach berühmten Schlachten wie der von Spichern 1870 wurden weitere Plätze und Straßen benannt.
Und über allem scheint der Name Heinrich Ehrhardt zu schweben. Fast scheint es so, als ginge der komplette Stadtteil auf den Gründer der Waffenschmiede Rheinmetall zurück. Historiker Hebenstreit berichtet vom Erfinder Ehrhardt, der nach vielen kleinen Jobs in ebenso vielen Städten nach Düsseldorf kommt und einen Weltkonzern aufbaut — mit all seinen Konsequenzen für die direkten Nachbarn.
Es ist ein vielseitiges und niemals wertendes Bild, das Hebenstreit zeichnet. Auf der einen Seite der geniale Tüftler, der immer ein offenes Ohr für seine mehrere zehntausend Mitarbeiter hatte und ihnen rund um sein Werk Wohnungen baute, aus denen der Stadtteil wuchs. Auf der anderen Seite der fanatische Militarist, der mit seinen Waffen für so viel Tod und Leid auf der Welt gesorgt hat.
So geht es auf dem rund zweistündigen Rundgang durch alte Fabrikgebäude, die heute längst schicke Büros, Showrooms für Mode und Wohnungen für Besserverdiener beherbergen. Auf Straßen, die sich durch Kriege, die Besetzung durch die Franzosen und Gestaltungsprojekte mehrmals gewandelt haben.
Immer wieder bleibt Hebenstreit stehen, zeigt Details, die Passanten nicht bemerken, vergleicht das aktuelle Derendorf mit alten Bildern und Karten. Das kommt bei den rund 20 Teilnehmern an, die fleißig fragen und auch mal etwas ergänzen. „Ich wohne hier seit 1974 und weiß noch, wie es vorher aussah“, sagt Rainer Orfgen. Er ist sich sicher: Der Wandel geht weiter. Wenn das alte Schlösser-Gelände, das Gefängnis und der Schlachthof umgebaut sind, hat Derendorf erneut sein Gesicht verändert.